Was in dieser Zeit der Umwälzungen fehlt, ist die auffordernde #Kommunikation, Neues auszuprobieren und Überholtes zu ersetzen

#Ambidextrie nennen Wirtschaftswissenschaftler eine Herausforderung, der #Unternehmen gegenüberstehen. Das Wort bedeutet: Beidhändigkeit. Unternehmen müssen sonach zwei Hände geschickt koordinieren und ihr Überleben und Wachsen mit beiden sicherstellen. Die eine Hand steuert das bestehende #Geschäftsmodell, die bisherigen Produkte, die Stammkunden, die gehalten werden sollten. Mit ihnen will man wachsen und die Beziehung bzw. #Partnerschaft weiterentwickeln. Die zweite Hand dirigiert die #Unternehmensentwicklung, die #Innovationen, die neuen Produkte und Services, die #Veränderungen und Marktanpassungen sowie die möglichen neuen Kunden und ihre Wünsche und Interessen. Ohne diese zweite Hand wird das Unternehmen womöglich nicht fortbestehen oder sich jedenfalls nicht zu einem relevanten Spieler in seinem Markt oder sogar für die gesamte Gesellschaft entwickeln.

Genaugenommen reicht Arbeitgebern auch die Ambidextrie nicht aus, um langfristig erfolgreich zu sein: #Institutionen, Unternehmen und andere Einrichtungen müssen sich stattdessen im Sinne einer #Tri-Dextrie stetig verbessern. Diese dritte hinzukommende Dimension umfasst die #Organisationsentwicklung, also das beständige Streben nach Exzellenz, Qualität, Modernität, Zukunftsfähigkeit. Hier geht es beispielsweise um eine konsequente Ausrichtung anhand von #Nachhaltigkeitskriterien (Sustainability Development Goals – #SDG – der Uno). Darüber hinaus können z.B. Ansprüche einer motivierenden Führung, einer institutionalisierten Klärungshilfe bei Konflikten und einer demokratischen Teilhabe etabliert werden. Auch eine gewaltfreie Kommunikation und Incentivierungen für umgesetzte Verbesserungsvorschläge sollten bei modernen Arbeitgebenden selbstverständlich sein. Ein Risiko-Audit bzw. ein Risikomanagement zählen ebenso zur Organisationsentwicklung wie eine entsprechende Störfallprävention. Und, wichtig: das dauerhafte Bestreben, die Kultur, die Atmosphäre, die Umgangsformen, den Service, das Miteinander, das anregende und produktive Streiten zu optimieren. Mit der Konsequenz, dass Beschäftigte wie Fans und Agenten der arbeitgebenden Einrichtung nach außen und innen wirken. Solche Besonderheiten halten die schädliche Fluktuation auf einem niedrigen Niveau und etablieren ein Zusammengehörigkeitsgefühl und einen #Mannschaftsgeist, der zwangsläufig Erfolge befördert, weil die Beschäftigten gern zur Arbeit kommen, hier produktiv, kreativ, selbstwirksam und selbstbewusst agieren können und ihre Erfahrungen und ihr Wissen mit Herz, Hirn und Hand beisteuern. All diese Aktivitäten wirken positiv nach innen, sie fallen ebenso außen auf und verbessern letztlich Ergebnisse und Erträge.

Die Partei die Linke versinnbildlicht, was passiert,
wenn sich eine Organisation nicht modernisiert

Was für die Wirtschaft gilt, trifft ebenso für die Politik zu. Parteien und Regierungen, die sich nicht dynamisch anpassen und verbessern, sondern versuchen, mit den immer gleichen Methoden ihre alte Klientel zu befriedigen, werden sukzessive weniger Zustimmung erhalten. Denn die Welt verändert sich rasant.

Die Partei Die #Linke erzählt dazu seit einigen Jahren eine Betroffenengeschichte. Sie versteht es offenbar nicht, neue Wählergruppen von ihrem Kerngeschäft zu überzeugen: den modernen Anforderungen an die Gerechtigkeit und das Gerechtigkeitsgefühl der Bürger. So enttäuscht sie obendrein ihre Stammwählerschaft. Solche Organisationen rutschen als Konsequenz, wenn sie den Umschwung nicht schaffen, in die Bedeutungslosigkeit. Diese Selbstzerstörung der Linken erscheint deshalb verblüffend, weil die Gegenwart in Deutschland eigentlich eine starke politische Kraft auf dieser Seite des Parteienspektrums erwarten ließe. Denn die Unterschiede zwischen den vermögenden und den ärmeren Schichten waren noch nie so groß wie gegenwärtig. Das Ausmaß der Ungerechtigkeit ist den meisten Menschen wohl nicht bewusst, ebenso wenig die unheilvolle weitere Tendenz dieser Entwicklung.

Das reichste Prozent besitzt 35 Prozent der Vermögen,
wogegen die Hälfte der Bürger fast nichts besitzt

Die Studie Global Wealth Report 2024 der Unternehmensberatung Bosten Consulting Group (#BCG) hat ergeben: Die Vermögen der Deutschen sind noch weit ungleicher bzw. ungerechter verteilt als die Einkommen. Gemessen am gesamten Besitz der Deutschen gehören der unteren Hälfte der Einwohnerschaft nur 1,4 Prozent aller Vermögen, der oberen entsprechend 98,6 Prozent. Das reichste Prozent der Menschen verfügt über 35 Prozent der Vermögen. Die Menschen spüren die Ungleichheiten, viele fürchten, im Wohlstandsniveau abzusinken. Gleichzeitig sehen sie den frivolen Reichtum von Menschen, die ihre Vermögen leicht vermehren können, weil sie Steuertricks nutzen, die normalen Arbeitnehmern unzugänglich sind. Beispielsweise versteuern Unternehmen ihre Gewinne in Steueroasen wie den Keyman-Inseln oder Panama, statt in Deutschland oder Frankreich, wo sie erzielt worden sind. Solche Entwicklungen schädigen die Demokratie und treiben Wähler in die Hände von Populisten und Extremisten, die gegen das politische Establishment wettern und grundlegende Veränderungen versprechen, sofern sie gewählt werden.

Ein erheblicher Grund für die #Vermögensungleichheiten in Deutschland liegt in der Vererbung von Vermögen und damit verbunden der Begünstigung großer Vermögen bzw. Firmenvermögen durch das #Erbschaftssteuergesetz von 2009. Das #Bundesverfassungsgericht hatte das bis 2008 geltende Erbschafts- und Schenkungssteuerrecht vor allem deshalb für verfassungswidrig erklärt, weil es Firmen- und Immobilienwerte begünstigte vor anderen Vermögen. Diese Ungleichbehandlung müsse aufgehoben werden, entschieden die Richterinnen und Richter in Karlsruhe. Alle Vermögen sollten nach dem jeweiligen Verkehrswert in der Steuer veranschlagt werden. Seither werden zwar jährlich im Land schätzungsweise 400 Milliarden Euro an Vermögen vererbt und verschenkt. Aber kaum jemand zahlt eine entsprechende Steuer, weil die Freibeträge hoch sind und für Firmenvermögen großzügige Ausnahmen gelten. Der Staat verzichtet insoweit auf Dutzende Milliarden an Einnahmen. Eine zusätzliche Begünstigung von großen Vermögen ergibt sich, weil die Vermögenssteuer seit 1997 nicht mehr erhoben wird. Zwar gab es zwischenzeitlich mehrere Initiativen, sie wieder einzuführen, aber dafür fanden sich keine parlamentarischen Mehrheiten.

Vermögen wachsen schnell, weil Firmen oft keine Erbschaftssteuer zahlen und weil die Vermögenssteuer abgeschafft wurde

Die BCG-Studie dokumentiert: Je höher das Anfangsvermögen der Menschen war, desto höher waren auch die Zuwächse (Quelle: BCG: Nach schwachem Vorjahr: Weltweites Nettovermögen steigt wieder um mehr als vier Prozent auf 477 Billionen US-Dollar, 10.7.2024). In Deutschland sei die #Vermögensverteilung überdurchschnittlich ungleich. „Hierzulande erhöhten sich die Finanzvermögen bei den Superreichen (damit sind hier Menschen mit einem Vermögenswert von mehr als 100 Millionen Dollar gemeint; der Autor) um mehr als 10 Prozent. Je niedriger in der Vermögenspyramide angesiedelt, desto niedriger auch der Vermögenszuwachs der Einzelnen. Im Segment von einer bis fünf Millionen Euro Vermögen lag der Zuwachs etwa noch bei mehr als fünf Prozent, im größten Segment (0-250.000 USD Finanzvermögen) lag er nur noch bei jeweils 1,5 Prozent Zuwachs – und damit unter der Inflationsrate“, schreibt BCG. Somit ist die #Kaufkraft der niedrigsten Vermögensgruppe tatsächlich gefallen, wogegen die Kaufkraft der mittleren Gruppe gestiegen ist und jene der Superreichen sehr stark zugenommen hat.

Diese Entwicklungen sollten den Regierenden verdeutlichen, dass Handeln geboten ist, um die Unzufriedenheit der Menschen nicht weiter wachsen zu lassen. Denn zunehmend viele von ihnen entscheiden sich bei Wahlen nicht mehr für die gemäßigten Parteien in der Mitte des Spektrums, sondern für extreme Positionen, die von Populistinnen und Populisten geschickt hoffähig gemacht werden. So verlieren die demokratischen Kräfte in den Parlamenten an Boden. Antidemokraten und Verbündete von ausländischen Autokraten feiern Siege bei Wahlen und kommen früher oder später womöglich in die Regierung – zuerst in regionalen Parlamenten, dann in nationalen.

Die Polykrise verlangt nach
visionären Strategen und überzeugenden Zupackern

Nach der akuten Bewältigung der Pandemie sorgen sich viele Menschen gegenwärtig um das Überleben der eigenen Art auf dem Planeten. Fast täglich erfahren sie schlechte Nachrichten über den #Klimawandel, das #Artensterben, die #Überbevölkerung, Migrationsbewegungen, Kriege, Pandemien, die #Plastikvermüllung, über antibiotikaresistente Keime, die #Regenwaldvernichtung, das Abschmelzen des Grönlandeises und des sibirischen Permafrostes samt Freisetzung unkalkulierbarer Mengen an Kohlendioxid und Methan. Diese Entwicklungen manifestieren Gefahren für die jetzigen und die kommenden Generationen.

Für manch einen Heutigen ist das etwas viel der Umwälzung: Man steht ohnmächtig da und weiß nicht, was man tun sollte. Solche Verzweiflung und Handlungsunfähigkeit gebiert Ängste. Die Politik hat die Aufgaben, Richtung zu geben, Ziele zu formulieren, Maßnahmen zu verdeutlichen, Gerechtigkeit für die heutigen und die künftigen Generationen walten zu lassen, mit entsprechenden Gesetzen zu steuern, die Wirtschaft zu fördern und den Menschen zu sagen, wie sie sich verhalten sollten, damit die Herausforderungen langfristig gemeistert werden können. Die #Regierung würde also den Menschen etwas zumuten und entsprechende Forderungen an die Bürger formulieren, positive Ziele beschreiben und den Weg dorthin aufzeigen. Auf diese Weise könnte sie Menschen für ihre Maßnahmen und ihre Vorstellungen von einer gerechteren Welt gewinnen.

Der Kanzler könnte die Menschen mitnehmen
auf das Abenteuer der Veränderung

Aber das tut sie kaum. Im Gegenteil: Sie weigert sich beharrlich, der Gesellschaft zu erklären, was auf sie zukommt, wie jeder Bürger sein Handeln verändern sollte und was die Politik tun wird, um in absehbarer Zeit ein klimaneutrales, ein wirtschaftsstarkes und trotzdem soziales und menschenfreundliches Deutschland zu erreichen, auf andere Staaten einzuwirken und die entsprechenden Techniken und Verhaltensweisen gewinnbringend zu exportieren – zum Wohlergehen des Landes, des Planeten und der nächsten Generationen. Zwar hat Deutschland das Pariser #Klimaschutzabkommen 2015 mit verhandelt und unterschrieben. Und die Europäische Kommission unter Leitung der ehemaligen Bundesministerin Ursula von der Leyen hat die große Aufgabe angenommen und einen „Green Deal“ mit der Riesensumme von einer Billion Euro proklamiert. Zudem hat sich die gegenwärtige Bundesregierung bemüht, die erneuerbaren Energiequellen auszubauen.

Was indes fehlt, ist die wahrhaftige Kommunikation der anstehenden Veränderungen für jeden Einzelnen. Die ehemalige #Bundeskanzlerin Angela Merkel tat das mit Aufmunterungen wie ihrem lapidaren „Wir schaffen das!“, dem geflügelten Wort zur #Migration 2015. Aber das reichte nicht. Olaf Scholz, ihr Nachfolger, müsste verdeutlichen, welche Veränderungen, Zumutungen und Entbehrungen auf die Menschen zukommen werden, wie sie also ihr Leben anpassen sollten. Und welche Chancen, Erfolge und Gewinne sich daraus ergäben. Aber auch er kommuniziert nicht klar und motivierend. Dabei könnte er sich ein Vorbild an Winston Churchill nehmen. Einer der wichtigsten moralischen und militärischen Gegner Hitlers hat am 13. Mai 1940 in seiner ersten Rede als Premierminister im britischen Unterhaus seinem Parlament und seinem Volk offen und verständlich verdeutlicht, was die nächsten Jahre bringen werden – zunächst in seiner berühmten Blut-Schweiß-Tränen-Rede, und fortan immer wieder in Interviews, Ansprachen und Aufsätzen. Er hat den Bürgern etwas abverlangt. Das konnte er, weil er eine anschauliche Sprache beherrschte, weil er ehrlich war, weil es für ihn keine Alternative zu seinem Tun gab und weil er den Mut hatte, den Menschen die ganze Wahrheit zu sagen und darüber mit ihnen zu streiten. Der Mann sprach eindeutig und glaubwürdig, und er wirkte integer.

„Ein Teil dieser Antworten
würde die Bevölkerung verunsichern“

Deutsche Spitzenpolitiker haben diesen Mut offenbar eher nicht. Sie nehmen Rücksicht, wollen die Menschen nicht verunsichern, fürchten sich, ihnen Unpopuläres zu offenbaren und nehmen sie augenscheinlich nicht gern mit auf das Abenteuer der Veränderung. „Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern“, sagte der damalige Bundesinnenminister Thomas de Maiziere, als 2015 das Fußballländerspiel Deutschland-Niederlande in Hannover wegen eines möglicherweise geplanten Bombenanschlags abgesagt worden war. Dieser Satz symbolisiert wie kein zweiter eine Politik, die ihren Bürgern nichts zutraut, Zumutungen meidet und lieber im populistischen Alles-wird-gut-Stil verlautbart. Möglichst niemandem soll etwas verboten werden, niemand soll sich einschränken oder sein Verhalten ein Stückweit anpassen müssen, selbst wenn damit nur etwas Rücksichtnahme verbunden wäre.

Ein Beispiel für falsche Rücksichtnahmen und Prioritäten der regierenden Politik seit mindestens zwei Jahrzehnten ist der Schutzschirm der wechselnden Bundesregierungen für die deutsche Automobilwirtschaft. Diese Schlüsselindustrie konnte sich zurücklehnen und die weltweite Entwicklung hin zur Elektromobilität zu lange ignorieren. Schließlich hatte Deutschland den Otto- und den Dieselmotor erfunden und diese Verbrennertechnik immer weiterentwickelt, so dass sie leistungsstärker, sparsamer und sauberer wurde. Gleichzeitig förderte der Staat die Dienstwagen, den Dieselkraftstoff und das Pendeln mit dem Auto, so dass die Unternehmen im Land eine einzigartig teure, große und starke Firmenauto-Flotte unterhielten – vorzugsweise mit deutschen Fabrikaten. Die Politik meinte wohl, die deutschen Fahrzeughersteller könnten sich später umstellen und möglichst lange noch das alte Geschäftsmodell mit den schweren und komplizierten Benzin- und Dieselmotoren bewahren. Aus diesem Grund etablierte das Land weder ein enges Netz aus öffentlichen Ladestationen noch wurde die Gesetzgebung für Ladestationen von Appartementbesitzern und Wohnungsmietern so liberalisiert, dass auf privaten Stellplätzen in Wohnanlagen und in Tiefgaragen problemlos Ladestationen eingerichtet werden konnten. Von einer verbraucherfreundlichen Ladeinfrastruktur mittels einer universellen App für alle Anbieter oder einer General-Ladekarte zu schweigen. So versäumte das ganze Land die automobile Entwicklung und wunderte sich schließlich, warum Hersteller aus China, Korea, Japan und den USA technisch an den deutschen Herstellern vorbeizogen und die Verkaufszahlen für deutsche E-Autos weit hinter den Erwartungen zurückblieben. Die heimischen Autokonzerne haben die Ambidextrie mit der Hinwendung zur disruptiven Lösung schlecht bewältigt, wie ihre Verkaufszahlen im größten Markt China dokumentieren.

Wenn es ums schnelle und grundlegende Durchgreifen und Investieren ging, zeigte sich der deutsche Staat einzig in der Zeit der #Corona-Pandemie eifrig und ambitioniert. Hier wurden binnen weniger Monate viele Milliarden Euro freigegeben. Gleichzeitig hat die Politik etliche Freiheitsrechte der Menschen so massiv eingeschränkt wie nie zuvor nach dem Zweiten Weltkrieg. Sie hat gestaltet, weil sie die Dringlichkeit des Handelns erkannt hatte. Das lag gewiss auch an der #Medienberichterstattung, denn über mehr als zwei Jahre hinweg war die Pandemie das übertrieben dominierende Thema in allen Nachrichten, Magazinen, Zeitungen, Reportagen, Dokumentationen und TV-Talkshows.

Jeder darf weiter vermüllen und verschwenden –
Ewigkeitskosten werden nicht bedacht

Die Umweltverschmutzung, die Klimaveränderungen und die Kohlendioxid-Freisetzungen, die weit schwerwiegender sind als die Folgen der Corona-Infektionen, weil sie die gesamte Menschheit bedrohen – all dies geht die Politik nicht gleichermaßen beherzt an. Und weil sie das nicht tut, schwinden in der Gesellschaft die Erkenntnis und die Bereitschaft, mit der Natur, dem Klima und den Ressourcen sanfter und freundlicher umzugehen, nämlich ebenso rücksichtsvoll wie mit der eigenen Familie.

Zur Eindämmung der Pandemie nahm der Staat enorme Schulden auf. Bislang darf aber jedermann weiter vermüllen, den #Verbrennermotor sinnlos laufen lassen, die Rückstände der Uraltheizung in die Luft blasen, Strom verschwenden, Lebensmittel wegwerfen… Die #Ewigkeitskosten werden für die meisten Produkte weder errechnet noch an die Produzenten oder Verbraucher adäquat weitergegeben. Devise: möglichst keine Anpassung an veränderte Lebensumstände, keine unpopulären Forderungen oder Gebote. Denn solche Veränderungen lassen sich vor allem durch zwei Maßnahmen exekutieren: durch Verbote oder durch die Inrechnungstellung der tatsächlichen Kosten. Beides kann helfen, eine Gesellschaft auf einen richtigen Weg zu bringen. Darüber hinaus müsste nachhaltiges bzw. ressourcenschonendes Verhalten belohnt werden. Die Amerikaner sprechen hier vom #Nudging, dem staatlich gelenkten Verleiten und Anlocken von Menschen zu einem sinnvollen und gesellschaftlich erwünschten Handeln.

Die Politik in Deutschland setzt indes kaum Ziele, für die es Änderungen im Leben jedes Einzelnen bedürfte. Und seien es nur klitzekleine. Man meidet alles, was im weitesten Sinne als eine Form des „Verzichts“ gedeutet werden könnte. Die Regierung traut sich nicht, dem Volk zu sagen, wie lang oder turbulent der Weg in die #Klimafreundlichkeit, in die regenerative #Energiegewinnung und eine nachhaltige Zukunft mit einem schonenden und entsprechend qualitativen Wirtschafts- und Wohlstandswachstum werden wird. Jeder sollte stattdessen wissen, was die #Energiewende tatsächlich für den Staat und jeden einzelnen bedeutet: viele Windräder (die ebenso überall sichtbar sein werden wie Autos, Straßen, Schienen und Bürogebäude), Abschied vom Verbrennungsmotor, von Öl- und Gasheizungen sowie von Kohlekraftwerken, #Erdkabel von Norden nach Süden, Solarmodule auf fast allen Dächern, mehr #Erdwärme-Kraftwerke, weniger versiegelte, dafür grünere und lebenswertere Städte mit mehr Platz für Spiel und Sport und weniger für Autos, Umstieg auf Bahnen, Busse und auf kleine E-Fahrzeuge, zwischenzeitliche staatliche Unterstützung von energieintensiven Industrien und noch Vieles mehr.

Welchen Aufschrei gab es bei der Einführung
des Rauchverbots in der Gastronomie

Auch die Wirtschaft wird sich grundlegend wandeln. Sie weiß das. Denn das alte Geschäftsmodell des Standortes Deutschland hing jahrzehntelang an fünf Prämissen: erstens dem preiswerten Bezug von Grundstoffen aus Afrika und Asien für die deutsche Wirtschaft, zweitens der Belieferung mit billigem russischen Gas für die Industrie und die Heizungen vieler Privathaushalte, drittens der Auslagerung von schmutzigen oder personalintensiven Industrien wie der Textilbranche, der Haushalts- und Unterhaltungselektronik-Herstellung, der Porzellan-, Möbel-, Keramik- Kunststoff- und Metallerzeugung nach Asien. Viertens: der kreativen und präzisen Veredelung von Vorprodukten in deutschen Betrieben und Konzernen, fünftens dem Verkauf von hervorragend beleumundeten Made-in-Germany-Waren wie Maschinen, Autos, Chemieprodukten, Waffen, Pharmazeutika, Medizintechnik-Geräten in die ganze Welt, vor allem in die großen Märkte China, Europa und USA. Dieses Geschäftsmodell erodiert. Das Land sieht sich gezwungen, andere wirtschaftliche Standbeine aufzubauen.

Denn aus Russland wird kein Gas mehr bezogen, die USA werden möglicherweise, wie US-Präsident Donald Trump gedroht hat, hohe zusätzliche Zölle auf europäische Waren verhängen. Obendrein kaufen die Chinesen zunehmend bezahlbare chinesische E-Autos und signifikant weniger teure Luxuskarossen aus Deutschland, die allzu oft nicht annähernd die gleichen Unterhaltungs- und Informationsfeatures bieten wie die preiswerteren chinesischen, koreanischen oder japanischen Autos. Möglicherweise hat sich China seit Jahrzehnten auf einen Systemkrieg mit den westlichen Demokratien vorbereitet, als es in die Infrastruktur Afrikas und des Nahen Ostens investierte, die entsprechenden Staaten wirtschaftlich abhängig machte, den weltweit wachsenden Brics-Verbund autokratischer Staaten initiierte und in diesem Zusammenhang auch die De-Dollarisierung vorantrieb. Ohne den Dollar als Welthandelswährung würden auch die Sanktionen nicht mehr wirken, die demokratische Staaten gegen diktatorische Regime wie den Iran verhängen.

Das exportorientierte Deutschland leidet erkennbar stärker unter den wirtschaftlichen Verschiebungen, den Friktionen zwischen den großen Mächten und den neuen Handelshemmnissen als andere Staaten. Es tut sich offenbar auch schwerer mit manchen Veränderungen. Welchen Aufschrei gab es, als Anfang 2008 das #Rauchverbot in der Gastronomie in Deutschland eingeführt wurde. Als zwei Jahre später das Rauchverbot auch erstmals für die Zelte des Oktoberfestes in München bevorstand, empörten sich Wirte, Rauchende und die Boulevardpresse: Das könnte das Ende der Wiesn bedeuten, gleichsam das Ende der Zivilisation: kaum noch Gäste, kein Spaß mehr, keine Stimmung, alles werde vernichtet – Kultur, Tradition, Rituale und die letzte große Party… Was aber war das Ergebnis der Rauchfreiheit, als der Tag gekommen war? Alles wie immer: Stimmung, Party, Spaß und volle Zelte – auch ohne die Zigarettengifte. Alle Befürchtungen waren unbegründet gewesen. Die Rauchenden können seither vor den Zelten und in den angeschlossenen Biergärten ihrer Gewohnheit nachgehen. Ähnlich war es 1970 bei der Einführung der Gurtpflicht beim Autofahren. Oder beim Dosenpfand im Jahr 2003. Die Menschen passen sich sofort elegant an das Neue an. Sie sollten idealerweise den Zweck verstehen und akzeptieren. Dafür müssen sie ausführlich und ehrlich informiert werden.

Die deutsche Wirtschaft könnte neue Märkte
für Strom-, Heiz- und Verkehrstechnik erschließen

Aber manche Politiker sagen nicht alles, was sie wissen – aus Furcht, dann nicht mehr gewählt zu werden. Getreu dem Diktum, wonach der Überbringer der schlechten Nachricht selbst für deren Inhalt zur Rechenschaft gezogen werden könnte. Da wird Rücksicht genommen auf die Rücksichtslosen, die Lauten, die Egomanen, auf Befindlichkeiten von Rasern, von toxischen Machos, von Umweltignoranten und pathologischen Verschwendern, von bräsigen Besitzstandswahrern und ewiggestrigen Verschmutzern.

Gewiss: Es gibt immer diejenigen, die darauf verweisen, dass Deutschland nur für zwei Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich ist. Man brauche internationale Übereinkommen, lautet deren Parole fürs Nichtstun. Dabei müsste sich eigentlich die Welt ans Pariser Klimaabkommen von 2015 halten. Deutschland könnte als viertgrößtes Industrieland ein Vorbild für andere sein und mit Modernität, Haltung und Engagement beweisen, was technisch und gesellschaftlich längst geht. So könnte die deutsche Wirtschaft weltweit Märkte für die neue Strom-, Heiz- und Verkehrstechnik erschließen. Stattdessen hat die Politik viele Jahre lang weiterhin aussichtslose Kohlearbeitsplätze enorm subventioniert und gleichzeitig einer Zukunftsbranche wie der Solarenergie-Produktion im eigenen Land mit einem Handstreich die wirtschaftliche Grundlage entzogen. Sie muss aufpassen, dass ihr ein ähnliches Desaster nicht bei der Chip- und der Batterieproduktion widerfährt.

Manche Politiker predigen, niemand müsse verzichten,
alles bleibe wie immer

Vielleicht ist das Volk viel weiter, als die Politik glaubt. Vielleicht ahnen oder wissen die meisten Menschen, dass sie sich auf #Elektroautos einstellen sollten, dass das Verfeuern von fossilen Rohstoffen auf einem kleinen Planeten mit endlichen Ressourcen gestoppt werden wird, dass Gesellschaften für ihren #Kunststoffverbrauch ebenso wie für den Einsatz von Metallen eine #Kreislaufwirtschaft entwickeln sollten. Die Wirtschaft wird sich entsprechend konsolidieren. Weil es sinnvoll ist. Weil nur so künftige Generationen unbeschwert leben können. Weil sich die Gattung Mensch, wie viele Wissenschaftler prognostizieren, sonst selbst abschaffen würde.

Aber die Politik traut sich nicht recht, dem Wahlvolk reinen Wein einzuschenken. Minister, Parteiführer und Abgeordnete gefallen sich darin, den Menschen vorzumachen, der Wandel sei sanft, sie hätten Zeit, es werde keine Opfer, keine Verbote und keine Askese geben, jeder dürfe weiter verschwenden, verdrecken und verdrängen. Die Menschen durchschauen diese Strategien zunehmend. Sie werden angesichts der sich verschärfenden Probleme kantige Kämpfer für ein vernünftiges, ein modern-nachhaltiges Leben und Wirtschaften unterstützen.

Herzliche Grüße, Ihr

Matthias Michael, Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Reputationsmanagement