Die Reputation der EU lässt auf dem Kontinent fast flächendeckend zu wünschen übrig. Die Wahlen 2019 entscheiden, ob das Bündnis im Parlament noch gemeinsame Werte proklamieren kann. Die Bundesregierung hat dahingehend enttäuscht.

So wie man die Absurdität (beispielsweise des deutschen Steuersystems) nicht mehr erkennt, wenn sie seit vielen Jahren Alltag ist, so nimmt man möglicherweise auch das Glück nicht mehr als besonderen Wert wahr, wenn es zur Gewohnheit geworden ist. Europa, unser wirtschaftliches und politisches deutsches Glück, finden viele langweilig. Und bieder. Und bürokratisch. Sie assoziieren damit Mikromanagement – z.B. um den Krümmungsgrad von Gurken –, einen aufgeblähten politischen und administrativen Apparat und Zwietracht.

Wer sich einmal eine solche Meinung gebildet hat, sieht sich allabendlich in den Nachrichten bestätigt: Da wird in Brüssel und Straßburg gestritten und gefeilscht in vielen Sprachen, jeder verfolgt seine eigenen nationalen Interessen und nutzt die europäische Bühne für rabulistische Abrechnungen mit der Gemeinschaft. Offenbar mit dem Ziel, Zuhause Applaus von Menschen zu bekommen, die allzu einfache Lösungen bevorzugen und sich zuvörderst einen stark auftrumpfenden Politmacho wünschen, der die eigenen nationalen Interessen durchboxen soll gegen die legitimen Anliegen der anderen.

So wird die europäische Idee verraten.

Nationalistische Gaukler und Trickbetrüger betrachten die EU nur als notwendiges Übel. Im Kern also als Bürde. Und nicht als ihr Glück – als Basis von Sicherheit, Wohlstand und Frieden. Nach den Wahlen zum EU-Parlament im Laufe dieser Woche wird sich zeigen, ob tatsächlich eine Europadämmerung einsetzt.

Natürlich bedingt ein internationales Bündnis die Fähigkeit zum Kompromiss. Und wenn daraus zunehmend eine supranationale, also eine überstaatliche Gemeinschaft entsteht, werden die weniger weltläufigen Feinde der Zusammenarbeit noch hypertropher hadern, zweifeln und schreien als bisher.

Die Feinde wollen sich vermehren, Überhand nehmen und den Organismus vernichten

Europa wird neben den äußeren auch immer innere Feinde zu beschwichtigen haben. Hier ist zu unterscheiden zwischen Kritikern und Feinden. Jede Organisation hat Kritiker. Sie sind unzufrieden mit dem Status quo und wollen ihn verändern – aus ihrer Sicht: verbessern. Mit ihnen kann man diskutieren über das bessere Argument und ringen um die sinnvollste Lösung. Anders bei den Feinden: Sie wollen, wie todbringende Keime, sich vermehren, Überhand nehmen und den Organismus vernichten.

Gegenwärtig stehen viele Kritiker und sogar Feinde zur Wahl. Die EU muss – wie jedes demokratische System – aufpassen, dass sie nicht an den Folgen ihrer Toleranz zugrunde geht. Das kann immer dann passieren, wenn man friedfertig und naiv seinen Todfeinden Tür und Tor öffnet, ohne deren List und Gräuel wahrhaben zu wollen.

Was ist Europa? In jedem Fall lässt sich sagen: Die als hehr und richtig anerkannte Utopie von Einheit, Gemeinsamkeit und Gerechtigkeit, dieser consensus gentium aller Europäer, ist noch unvollendet. Wenn man das Gegebene in die Welt der Computerprogramme überträgt, läuft gleichsam noch die Beta-Version. Das finale Produkt hat aber die Größe und den Glanz, alles Dagewesene in den Schatten zu stellen. Die „User“ müssen es selbst immer weiterentwickeln – wie ein Linux für das Zusammenleben der Völker.

Bei diesem Gedanken kann sich jeder EU-Bürger vor der Europawahl fragen, wie wichtig ihm das Erreichte und das Ersehnte und Denkbare einer gesamteuropäischen Einigung ist. Europa kann so viel mehr sein als der Kontinent, auf dem wir zufällig leben und die Kultur, in die wir hineingewachsen sind. Die europäische Verständigung in der Form der wachsenden und integrierenden EU hat wesentlich zu Wohlstand und Frieden nach den beiden Weltkriegen beigetragen. Dass europäische Staaten einst verfeindet und grausam kriegerisch verstrickt waren, können sich die jungen Generationen kaum vorstellen. Hier wurden Werte geschaffen, die mit Geld und Gold nicht aufzuwiegen sind: Werte der Nächstenliebe und der Humanität.

Europa ist die Idee, den Nationalismus zu überwinden. Wenn Erzfeinde, die sich über Jahrhunderte erbittert bekämpft haben, eine gemeinsame Zukunft in einer komplizierter werdenden Welt anstreben, ist das der Verdienst jener Organisation, die 2012 den Friedensnobelpreis erhalten hat.

Europa hat viele Chancen, die weder im Einparteien-Staatskapitalismus Chinas noch im zahlengetriebenen Technikkapitalismus amerikanischer Prägung möglich sind. Beispielsweise könnte die stolze europäische Kultur ein Grundeinkommen entwickeln, das ein menschliches Miteinander und einen gesellschaftlichen Zusammenhalt aller Bürger fördert. Auch eine frauen-, kinder- und familienfreundliche Arbeitswelt, wie sie weder im globalen Osten noch im Westen wirklich existiert, wäre hier erstrebenswert. Ganz abgesehen von einer modernen Bildung, die Kinder fördert, ihre Stärken entwickelt und sie zu kritischen, kreativen und selbstbewussten Erwachsenen reifen lässt. Um diese Ziele zu erreichen, lassen sich einzelne Elemente aus unterschiedlichen EU-Staaten kombinieren und optimieren.

Dies alles wären Fortschritte und Differenzierungsmerkmale gegenüber den Vereinigten Staaten des Donald Trump und der Volksrepublik des Xi Jinping.

Europa ist die Idee, den Nationalismus zu überwinden

Deutschland ist eines der Länder, die von den EU-Verträgen am meisten profitiert haben. Deshalb könnte man erwarten, dass sich die Regierungen dieses Landes besonders einsetzen für die europäischen Werte, Übereinkommen, für die europäische Integration und die Vision eines geeinten Staatenbundes oder sogar die Vereinigten Staaten von Europa.

Weit gefehlt. Deutschland verhält sich seit Jahren in vielen Fragen wie einige Osteuropäer, denen deutsche Politiker gern Egoismus vorwerfen. Wenn Deutschland als penetranter Forderer auftritt, dann zumeist im Eigeninteresse (Flüchtlinge, Landwirtschaftssubventionen, Umweltschutz-Grenzwerte, Glyphosat) und nicht wegen der großen Idee. Das gleiche gilt für die Gaspipeline Nord Stream 2, die gegenwärtig von Russland nach Deutschland durch die Ostsee verlegt wird. Auch hier hat Deutschland rücksichtslos gehandelt und seine eigenen Interessen über die mancher Partner gestellt.

Die Menschen sehen, dass ihre Arbeit stark besteuert wird, der Profit von Apple, Google, Facebook, Amazon, AirBnB und anderen Category Killern und Quasi-Monopolisten aber kaum. Die Unterschiede klaffen weiter auseinander zwischen Habewas und Habenix, zwischen Investitions-Gutachten und Wohngeldantrag, zwischen Millionen-Boni und Prekariat. Diese gefährliche Entwicklung müsste Europa wirkungsvoller bekämpfen.

Europa sollte seine gemeinsamen Werte, die in der Charta der Grundrechte der EU definiert sind, konsequent leben und von jedem einzelnen Mitglied immer wieder fordern. Wer sich ganz offensichtlich nicht an die moralischen Prinzipien hält und beispielsweise Grundrechte und demokratische Kontrollen demontiert, beschädigt damit die gesamte Gemeinschaft und sollte bei dauerhafter Zuwiderhandlung zunächst ermahnt und dann bestraft und bei langjähriger rücksichtsloser Zersetzung – als ultima ratio – ausgeschlossen werden.

Das ist gegenwärtig aber in den EU-Übereinkommen überhaupt nicht vorgesehen. Die Gemeinschaft beraubt sich so einer letztinstanzlichen Durchsetzung ihrer gemeinsamen Werte und Ziele.

Damit die EU auch in dieser Größe funktionieren kann, sollte sie auf das Einstimmigkeitsprinzip nicht nur in der Außen- und Sicherheitspolitik, sondern auch in anderen Feldern wie der sozialen Sicherheit, dem Steuerwesen und der polizeilichen Zusammenarbeit verzichten. Denn wenn 27 oder 28 Staaten einstimmig einen Beschluss fassen sollen, kommen sie meist nicht gut voran, zumal einzelne Staaten egoistische Interessen in der Kooperation mit z.B. China, den Golfstaaten, Russland oder den USA in den Vordergrund stellen werden.

Diese weltpolitischen Machtzentren reiben wie tektonische Platten aneinander. Auch Afrika und Südamerika haben sich zu Schauplätzen entwickelt für geostrategische Auseinandersetzungen einzelner Kräfte mit hegemonialen Ansprüchen.

Europa könnte bei solchen Konflikten eine besondere Rolle einnehmen. Die EU repräsentiert einen starken Wirtschaftsraum, eine fast ausnahmslos prosperierende Region der Stabilität und des Friedens, eine weltweit geachtete Kultur und – idealiter – ein ebensolches liberales und soziales Wertesystem. Militärisch wird die EU vernünftigerweise nie so aufrüsten wie die waffenstarrenden kalten Krieger USA und Russland. So könnte eine bedeutender werdende und wirklich geeinte Europäische Union Interessen ausgleichen zwischen anderen Mächten.

Deutschland gilt in vielen Fragen als egoistischer Bremser

Aber gegenwärtig ist die EU bei vielen ihrer Bürger kaum sexy. Weder die EU-Politiker und -Funktionäre noch die Staats-Chefs verstehen sich darauf, Europa als große Kraft der Menschlichkeit, als moralische Instanz, als Friedensstifter, als Wohlstandssicherer und Überlebens-Garantie zu vergegenwärtigen – es mangelt an wirkungsstarker Kommunikation für Europa, obschon es viele Geschichten zu erzählen gäbe.

Hier in Deutschland regen sich viele auf über osteuropäische Staaten, die sich beharrlich weigern, Flüchtlinge aufzunehmen. Über Österreich, das es wagt, gegen die deutsche Maut zu klagen. Und über die baltischen Staaten, die höhere Militärausgaben von Deutschland erwarten. Sowieso über Frankreich, das sogar einen europäischen Finanzminister und eine gemeinsame EU-Verteidigungspolitik vorschlägt.

Dass Deutschland die Mittelmeerländer, wo die Flüchtlinge aus Afrika anlanden, jahrelang allein gelassen hat und sich auf das Dublin-Abkommen berufen hat, wonach die Heimatlosen dort Asyl beantragen sollen, wo sie EU-Boden betreten, geht als großes Versäumnis der großkoalitionären Bundesregierung in die EU-Geschichte ein. Als wirtschaftlich mächtigstes und zentrales Land der Union kann sich Deutschland solche Ignoranz nicht leisten. Gefragt ist vielmehr politische Empathie. Verständnis für die Sorgen und Ängste der Randstaaten sowie ein Selbstbewusstsein, sich solcher Themen zusammen mit Frankreich anzunehmen.

Denn immer gilt: quit pro quo. Wenn Deutschland sich nicht anpasst und engagiert in bestimmten Fragen, wird es bei den entscheidenden Themen eo ipso keine Loyalität und Unterstützung von den 27 anderen erhalten.

Der französische Präsident Emanuel Macron will die EU und ihre Institutionen modernisieren, reformieren und für die Zukunft rüsten. Seine Liste mit interessanten Vorschlägen dokumentiert, dass er erstens Probleme erkannt und zweitens Lösungen – in groben Zügen – entwickelt hat. Nichts Vergleichbares lässt sich über die deutsche Kanzlerin und ihre mutlose Regierung sagen. Sollte die Idee eines vereinten, friedlichen und freiheitlichen Europas überleben, dann nicht dank oder wegen Merkel und der GroKo, sondern trotz ihr.

Macron weiß, dass sich die EU erheblich verändern muss, um als politisches, militärisches und wirtschaftliches Bündnis global berechenbar und glaubwürdig und damit erfolgreich agieren zu können. Er ist zwingend auf die Unterstützung Deutschlands angewiesen.

Es liegt im Interesse der größten Volkswirtschaft der EU, Europa zu gestalten, zumal dieses Land wie kaum ein anderes vom europäischen Binnenmarkt, von der einheitlichen Währung, dem Wegfall der Grenzen und Zölle profitiert.

Die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten hätten Merkel und ihr Außenminister Heiko Maas als Fanal und Menetekel begreifen können. Fortan, so konnte ihnen frühzeitig klar gewesen sein, würde es mehr denn je auf ein geeintes Europa ankommen. Aber von Einigkeit ist die EU so weit entfernt wie Bayer vom Return on Invest seiner Monsanto-Übernahme. Die Regierungs-Chefs können sich weder auf eine gemeinsame Steuerpolitik noch auf einen Verteilungsschlüssel für Migranten oder überhaupt auf eine Flüchtlingspolitik noch gar auf eine gemeinsame Klimapolitik einigen. Nicht einmal zu einem konzertierten Verhandeln mit China in Sachen Neue Seidenstraße ist die EU in der Lage. Keine Einigung, nirgends.

Rechtsaußenparteien ziehen mit fremdenfeindlicher Agitation von Erfolg zu Erfolg

Macron schreibt im März 2019 in einem Gastbeitrag in mehreren europäischen Zeitungen, Europa sei in den Augen vieler Bürger zu einem „seelenlosen Markt“ geworden, es brauche einen „Neubeginn“. Er fordert tiefgreifende Reformen und macht Vorschläge für eine europäische Grenzpolizei, eine gemeinsame Asylbehörde, einen europäischen Sicherheitsrat, einen Eurozonen-Haushalt, eine europäische Klimabank, eine EU-weite Grundsicherung und einen Mindestlohn und fordert eine Bevorzugung europäischer Unternehmen bei öffentlichen Aufträgen. Europa müsse zudem „Unternehmen bestrafen oder verbieten, die unsere strategischen Interessen und unsere wesentlichen Werte untergraben“ – zum Beispiel in den Bereichen Umwelt und Datenschutz. Zudem müssten ausländische Unternehmen Steuern in angemessener Höhe entrichten.

Doch Merkel bleibt abermals passiv und schickt ihre Vertraute und CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer vor. Ihr fällt die Aufgabe zu, auf Macrons Vorschläge zu antworten. Kramp-Karrenbauer erteilt dem Aufruf für einen europäischen Mindestlohn eine Absage. Sie fordert einen ständigen EU-Sitz im UN-Sicherheitsrat und schlägt vor, den zweiten Sitz des europäischen Parlaments im französischen Straßburg abzuschaffen. Dieser nicht eben neue Gedanke wird aber von Frankreich kategorisch ausgeschlossen.

All dies verdeutlicht das Dilemma: Die für Europa so entscheidende Achse Berlin-Paris funktioniert nicht gut.

Osteuropäische Staaten wie Polen, Ungarn, Tschechien driften ebenso nach rechts wie das wirtschaftlich weit größere Italien. Ganz abgesehen von Österreich, wo es nach Ibiza-Gate zu Neuwahlen kommen wird. Auch in Deutschland und Frankreich eilen Rechtsaußenparteien mit nationalistischen Parolen, mit Agitation gegen Migranten und andere Minderheiten seit Jahren von Erfolg zu Erfolg.

Der Mittelstand lässt sich ängstigen. Die Medien lassen sich instrumentalisieren. Die Parlamentarier lassen sich provozieren. Abgehängte, Abgerutschte und Furchtsame wählen rechts – aus Protest. Sie wollen ein Zeichen setzen gegen die beschleunigte Unsicherheit, die empfundene Ungerechtigkeit und gegen das herrschende Establishment.

Eine Ursache des verstärkten Aufkommens antieuropäischer Ressentiments liegt zweifellos in der Migration von Flüchtlingen über die europäischen Grenzen begründet. Seit dem Schlüsselerlebnis des Jahres 2015, als 900.000 Flüchtlinge in Deutschland Zuflucht suchten, haben rechte Parteien sowohl in Mitteleuropa als auch in ihren östlichen Nachbarländern stärkeren politischen Zuspruch. Ihre enorme mediale Aufmerksamkeit ermöglicht ihnen, sich als Alternative für jene steigende Wählerschar zu inszenieren, die einen wirtschaftlichen Abstieg befürchtet.

Das Modell, alle wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fehlentwicklungen einer unterprivilegierten Minderheit in die Schuhe zu schieben, hat allzu oft funktioniert. Mal waren es die Kranken, mal die Indianer, die Tutsi, mal die Armenier, die Juden, mal die Kommunisten, die Christen, die Schwarzen, mal die Homosexuellen. Heute sind es die Flüchtlinge. Den Agitatoren geht es darum, die Sündenböcke zu entrechten, ihnen alles zu nehmen, sie loszuwerden. Oder sie ertrinken zu lassen. Die Gefahr ihres Erfolgs besteht, so lange es die dreiste Lüge, die Propaganda und die Dummheit gibt – auch heute, auch in Wohlstands- und Industrieländern und in scheinbar gefestigten Demokratien.

Beliebtes Vorgehen: Die Schwachen und die Schwächsten werden gegeneinander ausgespielt. Wenn eine Rechtsaußenpartei beispielsweise plakatiert: „Geld für Renten statt für illegale Migranten!“ Diese Polemik und die perfide Verknüpfung des Schicksals zweier Menschengruppen löst bei bestimmten Wählern erwünschte Emotionen aus.

Die EU bräuchte einen Workshop Klärungshilfe

Die Menschen in der EU erleben, dass sich die Regierungen ihrer Staaten nicht auf Lösungen oder wenigstens auf einen menschlichen Umgang mit Flüchtlingen einigen können. Es gibt nicht einmal eine Übereinstimmung darin, überhaupt Flüchtlinge in der EU aufzunehmen. Geschweige denn auf eine Menge oder gar eine Länderquote.

Die Migration als „Mutter aller Probleme“ zu bezeichnen, wie das der deutsche Innenminister getan hat, ist erstens falsch, zweitens spielt sie jenen in die Hände, die genau dieses eine politische Thema mit genau dieser geäußerten Haltung des Ministers seit Jahren geschickt penetrieren und inzwischen in 16 deutschen Landesparlamenten sitzen. Seehofers Einlassung war so wenig konstruktiv wie es der Bau von Mauern und das Verlegen von Stacheldraht ist.

Die Reihenfolge stimmt nicht: Zuoberst steht Europa mit seinen Werten. Dann kommt das gemeinsame Handeln, das Bekämpfen von Ursachen. Nicht die „Flüchtlingsfrage“ muss geklärt werden, um die EU zu einen, sondern die EU muss geeint sein, um die Herausforderungen der Migration zu bewältigen. Die EU bräuchte offenbar einen Workshop Klärungshilfe. Und danach ein Training Teamentwicklung. Und darauffolgend eines über gewaltfreie, verständliche und leidenschaftliche Kommunikation (vielleicht sollte die EU Mitglied bei der DGfR werden…).

Die Europäische Union ist in akuter Gefahr, denn ihre Staaten haben versäumt, die Geschichte einheitlicher Werte Europas zu erzählen. Die in den Verträgen unterschriebene gemeinsame Vision darf nicht nur ein Papiertiger sein – sie sollte gelebt werden im täglichen Miteinander.

Diese Welt braucht mehr denn je die humanitären Werte der EU, deren Kraft und Einheit – und vor allem engagierte Europäer. Sie sind die Seele Europas.

Ihr

Matthias Michael, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Reputationsmanagement