Skandale beim Rundfunk Berlin-Brandenburg. Deutsche Ministerpräsidenten wettern gegen ARD und ZDF. Die AfD will das öffentlich-rechtliche Fernsehen gleich ganz abschaffen. Die CDU in Sachsen-Anhalt verweigerte 2020 den Anstalten eine Gebührenerhöhung und wurde ein Jahr später vom Bundesverwaltungsgericht korrigiert. Die Zeiten sind nicht gut für ein Fernsehen, das von den privaten Haushalten als ihr eigenes direkt finanziert wird. Aber die Misere kam nicht plötzlich, sondern verschärft sich seit Jahren. Und sie wurde von den Gebührensendern selbst verschuldet.

Die öffentlich-rechtlichen Sender müssen sich Gedanken darüber machen, wie sie ihre Existenz sichern können. Denn das Bundesverfassungsgericht und die Ministerpräsidenten der Länder könnten irgendwann die Bestands- und Entwicklungsgarantie nicht mehr weiter sicherstellen. Deshalb sei erlaubt, einige Vorschläge zu unterbreiten, um einen Beitrag zu leisten für den Diskurs über die Bedeutung, die Rolle, das Selbstverständnis des Fernsehens – und hier zuvörderst des öffentlich-rechtlichen (ergänzende Ausführungen finden Sie in den Büchern Geliebte Verblödung und Anmerkungen zum Fernsehen). Von den Sendern bzw. den Intendanten selbst sind hier augenscheinlich wenig Impulse zu erwarten. Sie verwalten den Status quo.

Es steht nicht gut um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nach 39 Jahren Kommerz-Funk in Deutschland. Zwar wenden sich die Angebote der privaten Sender vor allem an Kirmesbesucher, die unterhalten und abgelenkt werden möchten – es knallt, ist laut, geboten werden Kitsch und Comedy, Sex und Skandale, Frivoles und Freakshow, Rotlicht und Blaulicht, Katastrophen und Kuriositäten. Für Hintergründe, Analysen und die Beschäftigung mit schwierigen Themen hat das deutsche Privatfernsehen kaum Platz. Die Programmmacher verkaufen der werbetreibenden Industrie Aufmerksamkeit. Da ist fast alles erlaubt, ausgenommen Langeweile. Der Privatfunk ist damit erfolgreich, sein Zuspruch wächst permanent, der der öffentlich-rechtlichen Kanäle sinkt.

Diese Entwicklung wäre verkraftbar, würden sich die Gebührensender auf anspruchsvolle Unterhaltung, Kultur, Information, Recherche und politische Kontrolle konzentrieren; wenn die Rundfunkanstalten also mit ihren vielen Spartensendern, Hörfunk- und Online-Kanälen tatsächlich Programme machten, die die Gesellschaft entwickeln, bilden und zivilisieren. In den 1960er und 1970er Jahren jedenfalls war das ausschließlich öffentlich-rechtliche Fernsehen nicht nur ein Dokumentar der neuen sozialen Bewegungen, sondern deren Sprachrohr und Treiber. ARD und ZDF sollten insofern unterscheiden zwischen interest of the public, dem Zuschauerinteresse, das sich in Einschaltquoten messen lässt, und dem public interest, dem Interesse der Gesellschaft am Gemeinwohl, an Werten der Aufklärung. Tun sie’s?

„Die Leute sind nicht dumm genug, um nicht zu merken, dass die Oberflächlichkeit zum Programmprinzip gemacht wird“, schrieb Herbert Riehl-Heyse 2002 in der Süddeutschen Zeitung. Sein Diktum ist heute so aktuell wie damals. Und er ergänzte: „Es kommt halt auf die Quoten an, deshalb wird es auch nicht mehr lange dauern, bis der DFB die Anregung des Stuttgarter Managers Rüssmann aufgreift und auch das Kaffeetrinken des FC Bayern live überträgt.“

Kurz: ARD und ZDF haben ihre Qualität immer weiter nach unten angepasst. Sie senden allabendlich entweder peinlich-banale Shows, deren Namen („Wer weiß denn sowas?“, „Klein gegen Groß“, „Frag doch mal die Maus“) das Niveau ebenso beschreiben wie die Auswahl der alerten Lächelboys, die bieder und gelangweilt alles wegmoderieren, was man ihnen vorgibt. Wenn mal keine Trivialshows mit C- und D-Promis laufen, dann kann man sich auf die Stereotypen-Geschichten von Donna Leon, Rosamunde Pilcher, Charlotte Link, Dora Heldt, Inga Lindström, Utta Danella und anderen Liebesschnulzen-Autorinnen verlassen, die allesamt den Anspruch der Programmverantwortlichen von verfilmten Groschenromanen zur Primetime dokumentieren. Mit solchen Angeboten für über 75-Jährige, denen man nachsagt, wieder wie Kinder zu werden, haben ARD und ZDF dafür gesorgt, dass drei junge Generationen mit den öffentlich-rechtlichen Angeboten nichts anfangen können. Oder man sieht Plaudersendungen, sogenannte Talkshows, die wohlgemerkt nicht im Programmbereich Information, sondern bei den „Shows“ angesiedelt sind. Da betätigen sich freundliche Gastgeberinnen in ihrem Club der immer gleichen 300 Gäste freundlich und als Stichwortgeberinnen. Sie wirken so eloquent wie feingemachte Mikrofonständer. Die bridging- und flagging-geschulten Zeigepolitiker nutzen die Möglichkeit gern und stehen Schlange, wenn sie willkommen ihre Parteienbotschaften in Millionen Wohnzimmern vortragen dürfen.

Da fragt sich der interessierte Bürger: Braucht Deutschland tatsächlich mehr als 200 öffentlich-rechtliche TV-, Radio- und Digitalkanäle?

Nachfolgend will ich versuchen, einige Denkanstöße zur Veränderung und Verbesserung des Fernsehens in Deutschland zu listen, und zwar im Sinne von Ernst Bloch: „Die Sucht nach dem Besseren bleibt, auch wenn das Bessere noch so lange verhindert wird.“

Auch der Spiegel hat in seiner Titelgeschichte „Die unheimliche Macht. Wie ARD und ZDF Politik betreiben” im Oktober 2017 einige Vorschläge zur Reform unterbreitet und sich hier auf die Gebührenanstalten konzentriert: „Das Problem ist, dass selbst kleine Sparanstrengungen bei ARD und ZDF nur auf großen politischen Druck hin geschehen. Und dass es bei ein bisschen Sparen dann am Ende wieder bleibt. Es fehlt die Kraft für einen Neuanfang, es fehlen Ideen für einen neuen Gesellschaftsvertrag über das öffentlich-rechtliche Fernsehen. Das Grundproblem der alten Konstruktion ist, dass es seine Nutzer behandelt wie Unmündige. Der Zuschauer hat keine Wahl, weder in dem, was er bezahlen muss, noch in dem, was er bekommt. Er wird unmündig gehalten, weil in der DNA der Sender das Bild vom unfertigen, eigentlich unpolitischem Bürger fortwirkt, der mit Trallala-Shows zum Schauen von Nachrichten überredet werden muss. Und er wird unmündig gehalten, weil er weder in den Rundfunk- noch in den Fernsehräten das Wort ergreifen und mitreden kann – die Gremien sind immer noch in der Hand der Parteien und der Interessenverbände.” Ein neuer „Gesellschaftsvertrag” müsse entwickelt werden, der festlege, was der Auftrag der öffentlich-rechtlichen Anstalten eigentlich sein soll und wo sie tatsächlich unersetzlich sind: „Es würde auch bedeuten, dass die Öffentlich-Rechtlichen das, was andere besser können, diesen anderen überlässt. Den Verlagen den Textjournalismus. Dem Privat-TV manche Unterhaltung. Den Streamingdiensten manche Serie”, so die Spiegel-Autoren. Hier mag das Interesse des Spiegels als Teil eines privaten Verlages durchschimmern. Aber im Grunde haben die Redakteure Recht. Gegenwärtig werden viele Mängel noch immer zementiert, weil es an unabhängigen Einrichtungen fehlt, die Kontroll- und Veränderungsprozesse leiten könnten. Von innen heraus wird sich das Fernsehsystem in Deutschland nicht ändern, dafür ist es inzwischen zu verkrustet. Man hat das Gefühl, alle Interessensgruppen versuchen, ihre Pfründe zu wahren bzw. ihren Einfluss zu sichern. Aber auf das zunehmende Abruffernsehen via Internet müssen sich die kleinen und großen Programmsender einstellen, denn online ist ein riesiger Bewegtbildmarkt entstanden. Veränderungen sind unumgänglich, z.B. folgende:

1. Die Anstalten dürfen sich nicht weiter auf den ruinösen Quotenwettlauf einlassen.

Der Einfluss der Zuschauerquote auf programmliche Entscheidungen muss bei den öffentlich-rechtlichen Sendern sinken. Denn die Quoten- und Marktanteils-Fixierung schadet den Interessen der Allgemeinheit. Zuspruch als alleiniges Kriterium für Programmentscheidungen verschlechtert die inhaltliche Qualität.

Wenn sich ARD und ZDF auf ihre selbst gesteckten Ansprüche besinnten, könnten sie Qualitätsfernsehen in allen Facetten bieten: Information, Bildung und auch anspruchsvolle Unterhaltung. Dann hätten sie keine Legitimationsprobleme mehr, Gebühren für ihre Programme zu nehmen. Die kommerziellen Kanäle wären in der misslichen Lage, im öffentlichen Ansehen allenfalls zweitbestes Fernsehen zu sein. Auch sie würden deshalb womöglich mehr in die Qualität ihrer Informationsberichterstattung und ihrer Fiction-Stoffe investieren, was dem Fernsehpublikum zugute käme.

Die öffentlich-rechtlichen Sender sind aufgefordert, wieder ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass das Fernsehen eine kulturelle Institution ist. Dazu gehört die Einsicht: Der Zuspruch der Massen hat herzlich wenig mit der Qualität der Sendungen sowie mit Werteorientierung und programmlichem Anspruch zu tun. Man muss sich für massenattraktive Sendungen nicht schämen, aber die Quote sollte nicht das Ziel der Bemühungen sein. Vielmehr müssten dramaturgisch, ästhetisch und kulturell hochwertige Programme hergestellt werden, auch und besonders solche für Minderheiten. Genau das ist der Auftrag eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks und der Unterschied zum rein kommerziellen. Diese Umstellung würde ARD und ZDF gewiss nicht schwer fallen, könnten sie sich doch wieder auf ihre Stärken konzentrieren und darauf, was man von ihnen erwartet. Lernen mögen sie auch hier vom Erfolg der BBC in Großbritannien.

Zur Umkehr zählt auch die detaillierte Beschreibung des Auftrages der Gebührenanstalten. In der Konsequenz sollten sie nur solche Angebote machen, die einen Public Value, einen Nutzwert für die Menschen, einen gesellschaftlichen oder kulturellen Wert haben.

2. Der Gebührenrundfunk wird auf Werbung verzichten – besser früher als später.

Werbung gehört nicht in einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der durch die Gebühren der Allgemeinheit finanziert wird. Auch die beiden Vollprogramme der öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland, ARD und ZDF, sollten zur Einsicht kommen, endlich auf die Werbung wochentags zwischen 18 und 20 Uhr zu verzichten – so wie sie es auf ihren Spartenkanälen tun. Ebenso auf die Presenter-Werbung, die gegenwärtig noch immer über die Sender geht. Auch dieser Schritt würde zur Verbesserung des Ansehens der Anstalten und zur Legitimation, Gebühren verlangen zu dürfen, nachhaltig beitragen. Die Menschen in Deutschland hätten wieder das Gefühl, ARD und ZDF seien „ihr“ Fernsehen. Durch die Auswechselbarkeit der Ansprüche, der Sendekonzepte, der Filmsprache, der Inhalte und des Personals ist das gegenwärtig nicht hinreichend der Fall.

3. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk braucht Parteienferne.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss wieder parteien- und staatsfern werden. Alle Vertreter von Staat und vor allem von den politischen Parteien sollten schnellstens die Rundfunk-Gremien verlassen. Die ‚Freundeskreise‘ gehören aufgelöst. Der Einfluss der politischen Parteien auf die Sender und Programme muss eingedämmt und abgewehrt werden – eine Aufgabe für die Intendanten von ARD und ZDF (die allerdings selbst fast ausnahmslos politischen Parteien angehören). Die Mitglieder in den Gremien sollten partei- und mandatslos sein. Die Länder könnten zudem untersagen, dass parteipolitische Funktionäre und Regierungsmitglieder wie selbstverständlich in die Führungsebenen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wechseln. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk gehört nicht den Parteien, nicht den Regierungen, sondern den Bürgern. Das müsste der Politik verdeutlicht werden.

Die Gremien könnten von den Gebührenzahlern gewählt werden. Ausgeschlossen sein sollten Regierungsvertreter und Spitzenpersonal von Parteien. Was bei Sozialwahlen funktioniert, könnte auch für die Rundfunk- und Verwaltungsräte ein Vorbild sein.

4. ARD und ZDF sollten lernen, unternehmerisch zu denken und zu handeln.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland kann lernen zu sparen. Experten mit einem Bewusstsein für die Qualität und die Besonderheiten eines öffentlich-rechtlichen Fernsehens könnten den Sendern helfen, entsprechende Möglichkeiten sichtbar zu machen und umzusetzen und mithin den anstaltseigenen Augiasstall der Verschwendung zu entmisten. Gegenwärtig dominieren die politischen Parteien die Gremien der öffentlich-rechtlichen Sender. Diese Leute haben aber kaum Expertise, was Selbstverständnis der Produzenten und Autoren, Produktionsbedingungen, Dramaturgie, Kosten und Wettbewerb im Fernsehmarkt bedeuten. Hier bedarf es einer Beratung von Fachleuten. Experten, Praktiker, Fach-Wissenschaftler und Unternehmer könnten die Sender durchleuchten, Sparpotenzial ausmachen und Personal schulen. Sie würden die Sender bei der Neuausrichtung nach den Kriterien von Qualität, Anspruch und Relevanz begleiten. Zur Beratung gehört nicht zuletzt das strategische Ausrichten – auch juristisch – auf plausible Maßnahmen, die das Ansehen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks steigern würden, beispielsweise die Öffnung der Archive der Sender zur freien Verfügung der Gebührenzahler.

Die Sender leisten sich aufgeblähte Verwaltungen, sie sitzen oft in Glaspalästen in Citylagen der Landeshauptstädte, sie geben Hunderte Millionen Euro für Übertragungsrechte von Sportveranstaltungen aus – offenbar, weil sie damit kurzzeitig ein jüngeres Publikum ansprechen wollen, so dass das Durchschnittsalter nicht jenseits des Renteneintrittsalters liegt. Diese Mondpreise können privatwirtschaftliche Sender nicht bieten, insofern hebeln die Öffentlich-Rechtlichen den Markt mit ihrem vielen Gebührendgeld aus.

Auch könnten die Sender ihre Rundfunkorchester an die Landesregierungen übergeben, die sie ohnedies oft zu Repräsentationszwecken einsetzen. Die beiden Atelierbetriebe der ARD, Studio Hamburg und Bavaria Film, könnten privatisiert bzw. veräußert werden. Beide werden in erster Linie von den öffentlich-rechtlichen Sendern beauftragt und unter ihrem Gebührendach beschützt, was ebenfalls den Markt verzerrt. Das gleiche gilt für die vielen kommerziellen Film-und-Fernsehproduktions-Töchter der öffentlich-rechtlichen Anstalten. Sie sollten eigenständig wirtschaften, ARD und ZDF könnten ihre Beteiligungen verkaufen und damit Markt zulassen. Denn die Gebührenzahler finanzieren ein intransparentes System, von dem niemand außerhalb der Senderverwaltungen weiß, ob es außerhalb der öffentlich-rechtlichen Sphäre überhaupt überlebensfähig wäre. Jene ARD/ZDF-Tochterfirmen, die gut wirtschaften und professionell produzieren, werden im Wettbewerb bestehen, die anderen wurden zu lange auf Kosten der Gebührenzahler durchgefüttert.

5. Das System benötigt Transparenz.

Die Gremiensitzungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sollten weitgehend öffentlich sein – eigentlich eine Selbstverständlichkeit, aber bislang tagen viele Räte hinter verschlossenen Türen. Auf diese Weise würden ARD und ZDF an Vertrauen bei der Allgemeinheit gewinnen und verdeutlichen, dass sie sich als Teil der Öffentlichkeit und der Gesellschaft verstehen. Das gleiche gilt für den Umgang mit dem Gebührengeld und den sonstigen Einnahmen, beispielsweise den Vertriebserlösen: Die BBC erläutert alljährlich der Allgemeinheit in ihrem Statement of Promises, wofür sie ihr Geld ausgeben möchte, welche Ziele sie verfolgt und wie sie die Qualität der Programme gewährleisten will. Im darauf folgenden Jahr hat die Öffentlichkeit stets die Möglichkeit zu bewerten, inwieweit diese Vorgaben eingehalten worden sind. In Deutschland: Fehlanzeige!

Mindestens einmal pro Jahr sollten die Verantwortlichen Rechenschaft ablegen gegenüber ihren Gesellschaftern, den Gebührenzahlern: Warum wurde welche Produktion mit welchen Mitteln wie umgesetzt? Warum wurden welche Personalentscheidungen getroffen? Wie viel Geld hat welche Programmschiene gekostet? Welche Sendungen sind entwickelt worden? Was verstehen die Sender unter Qualität? Wie haben wir versucht zu sparen? Welche programmlichen Schwerpunkte haben sie gesetzt? Warum haben sie welchen Sport in den Mittelpunkt gestellt? Was haben diese Übertragungsrechte gekostet? Welche kulturellen Aktivitäten haben sie präsentiert und unterstützt? Wie haben sie über die Wirtschaft und über politische Parteien berichtet? Wer von den Rundfunk- und Verwaltungsräten, den Kontrolleuren der Anstalten, erhält Aufträge von ihnen? Und so weiter.

Das Medium insgesamt sollte besser kontrolliert werden – durch ein wirklich unabhängiges Gremium oder zumindest durch andere Medien. Das Fernsehen wird in Druckmedien, online und im Radio kaum professionell beleuchtet. Es gibt lediglich in einigen Zeitungen hin und wieder Kritik an einzelnen TV-Sendungen (meist am „Tatort“ der ARD). Aber eine fundierte Auseinandersetzung mit dem Medium fehlt. Ein Diskurs, an dem sich auch Intellektuelle und in größerem Umfang die Gesellschaft beteiligen, findet nicht statt. Eine Stiftung Medientest, die einen Teil dieser Aufgaben übernehmen könnte, gibt es noch nicht. Also sind auch die privaten Medien (egal ob Druckerzeugnisse, Onlineportale, Radio- oder TV-Programme) aufgefordert, das Fernsehen kritisch zu begleiten, Programm- und Personalentscheidungen zu analysieren und besondere Leistungen herauszustellen. Partnerschaften und Kooperationen mit Unternehmen und anderen Organisationen sollten offengelegt und Sponsoring untersagt werden. Die Aufsicht über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk könnte eine unabhängige Instanz übernehmen – ähnlich wie in Großbritannien die Ofcom.

Auch im Fernsehen sollte es die Möglichkeit geben – wie in den Zeitungen auf den Leserbriefseiten – am Medium selbst, am Programm und an einzelnen Inhalten Kritik zu üben. Und zwar nicht nur auf den Webseiten der Sender, sondern auch direkt im Programm. Das ist bislang nur selten bei einzelnen „Vorort“-Sendungen Dritter Programme möglich. Und auch hier sind die Schwellen für die Äußerung von Kritik viel zu hoch. Folglich müßten Angebote entwickelt werden, wie interessierte Zuschauer unmittelbar Anregungen geben, Kritik üben, sich austauschen und im Programm damit vorkommen können. Zudem sollten einheitliche Regularien für Programmbeschwerden bei allen öffentlich-rechtlichen (und am besten auch bei den privaten) Sendern entwickelt und etabliert werden.

Die Gehälter, Zulagen, Boni der Spitzenleute beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk könnten denen anderer Medien entsprechen und folglich angepasst werden. Damit würde der Vorwurf der Selbstbedienungsmentalität entkräftet. Wegen der Bestands- und Entwicklungsgarantie, die das Bundesverfassungsgericht dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk immer wieder zugebilligt hat, sind seine Beschäftigungsverhältnisse und seine Gebühreneinnahmen sicher. Infolgedessen sollten die Gehälter nicht über vergleichbaren Positionen in der privaten Wirtschaft liegen.

6. Die Vergabe von Produktionen fürs öffentlich-rechtliche Fernsehen bedarf einer unabhängigen Kontrolle.

Die freien Produzenten in Deutschland sollten von den enormen Gebührenerträgen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erheblich starker profitieren. Der vom Volk finanzierte Apparat unterstützt die freie Szene der qualifizierten Firmen und Autoren; das ist eine Selbstverständlichkeit und war politisch immer so gewollt. Aber heute können die so genannten „Rucksackproduzenten“ und kleinere Produktionsfirmen kaum noch von den mageren Aufträgen leben, zumal sie in den Knebelverträgen der öffentlich-rechtlichen Sender in der Regel sämtliche Verwertungsrechte an ihren Ideen und Werken abgeben sollen. Die Sender dürfen die Filmemacher nicht mehr als befristete Honorarkräfte missbrauchen und sie zwingen, mit ihrem Privatvermögen zu haften.

Gegenwärtig genügen sich ARD und ZDF selbst. Größere Aufträge vergeben sie vor allem an ihre vielen Tochter- und Beteiligungsfirmen. Viele freie Produktionsfirmen konnten von den Bröseln der riesigen Auftragsvolumina nicht mehr leben. Wenn sich die Gebührenanstalten mehr öffneten für die freien Produzenten und Dienstleister, würden sie mehr Akzeptanz in der Öffentlichkeit ernten (und kreativere Filme herstellen).

7. Ombutspersonen tragen zur Transparenz, zum Dialog und zur Kontrolle bei.

Das öffentlich-rechtliche Rundfunkwesen kann sich offenbar nicht selbst kontrollieren. Für diese These spricht, dass es trotz aller betonten Sparbemühungen immer wieder Fälle von Korruption und Misswirtschaft gegeben hat. Die Verschwendung ist für jedermann greifbar. Hier könnte eine Ombutsperson als Ansprechpartner helfen. Ein wirklich unabhängiger Experte müsste das Recht haben, Akten einzusehen und anzufordern, Ermittlungen anzuregen und die Bürgerinteressen zu vertreten. In Schweden gibt es diese Einrichtung.

8. Ein detailreiches Selbstbild würde dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu neuem Ansehen verhelfen.

Die Gebührensender sollten ihr Selbstverständnis einmal schriftlich niederlegen. Diese Magna Charta des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland könnte breit in der Öffentlichkeit diskutiert und schließlich von allen tatsächlich gesellschaftlich relevanten Gruppen und Institutionen akzeptiert werden. Auf diese Weise würden die Anstalten wieder Respekt gewinnen. Die Inhalte könnten von einem unabhängigen Beirat erarbeitet werden. Jede Organisation muss sich heute fragen: Wer bin ich? Was kann ich besonders gut? In welchem Bereich bin ich unverwechselbar? Welches sind meine Werte? Welche Ziele verfolge ich? Diese Diskussion fehlt innerhalb der öffentlich-rechtlichen Anstalten. Sie wird aber zunehmend über die Köpfe der Verantwortlichen hinweg geführt.

9. Die Macht der Feudalherrscher im alten Intendantenfernsehen muss beschnitten werden!

Intendanten sollten sich nicht mehr wie Sonnenkönige aufführen können. Sie sollten gemeinsam mit den Gremien die letzte Verantwortung für Programme und Finanzen tragen und ihr Handeln vor den Räten legitimieren. Aber sie müssten ihren ungebührlichen Einfluss auf alle Inhalte sämtlicher Programme verlieren. Allmachtsrechte könnten entsprechend eingeschränkt und moderne transparente Managementstrukturen mit checks and balances aufgebaut werden. Dazu zählen Führungsleitlinien sowie Maßnahmen hinsichtlich Controlling, Corporate Governance, Compliance und ein Code of conduct bzw. ethische Richtlinien, die diesen Namen zu Recht tragen.

Sowohl die Intendanten als auch die anderen leitenden Mitarbeiter, also Verwaltungs-Leiter, Chefredakteure und Programmchefs, sollten maximal acht Jahre die jeweilige Position ausfüllen und danach wieder zu den Wurzeln ihres beruflichen Schaffens zurückkehren. Auch andere leitende Aufgaben können sie wahrnehmen, nur eben nicht mehr als Intendant. Wechsel ist wichtig, so wird gewährleistet, dass Neues sich entwickeln kann.

10. Die Landesmedienanstalten können zusammengelegt werden.

Die privaten Fernsehsender spielen die Landesmedienanstalten immer wieder gegeneinander aus. Mal geht es um Förderungen, mal um Grundstücke, mal um besondere Freiheiten. Die 14 Medienanstalten könnten zu einer modernen und professionellen Einheit zusammengeschlossen werden. Das würde viel Geld sparen, das Rundfunksystem verschlanken und es effizienter machen. Ebenso wie beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk müsste auch hier dafür Sorge getragen werden, dass die dann entstehende Bundesmedienanstalt nicht mit Partei- und Regierungspolitikern durchsetzt werden könnte.

11. Das Programmfernsehen sollte sich strengere Richtlinien für Gewalt geben.

Die Gewalt im Fernsehen muss abnehmen. Warum gibt es so wenige emotionale Stoffe im deutschen Fernsehen, die ohne Mord und Totschlag auskommen? Kriminalfilme ohne Kapitalverbrechen sind eine Seltenheit. Man könnte meinen, die Deutschen seien ein gar blutrünstiges Volk. Auf allen Kanälen wird von morgens bis nachts geschossen, gesprengt und erstochen. Die Freiwillige Selbstkontrolle sollte sich strengere Richtlinien geben und früher durchgreifen. Vielleicht würde davon auch das Storytelling profitieren, die Narration der Stoffe in den fiktionalen Programmen.

12. Würde jemandem auffallen, wenn ein öffentlich-rechtliches Vollprogramm wegfiele?

Zugegeben, eine unerhörte Anmerkung: ARD, ZDF und die neun dritten ARD-Programme könnten verschmelzen zu zehn statt elf Kanälen – einer der beiden Großsender würde wegfallen. Das würde Hunderte Millionen Euro sparen, die Gebühren könnten erheblich gesenkt werden. Die Idee ist nicht neu. Auch der Medienkritiker Hans-Peter Siebenhaar befürwortet ein verkleinertes, dafür aber qualitativ höherwertiges öffentlich-rechtliches Fernsehen. Wahrscheinlich würde kaum jemand merken, wenn eines der vielen durchschnittlichen Unterhaltungsprogramme fehlte. Das nationale Programm könnte das ZDF verantworten, die ARD-Anstalten würden sich auf die Landesprogramme konzentrieren. Phoenix böte hochwertige Informationen und Nachrichten, 3Sat und Arte Kultur und Bildung. Da die Vollprogramme von ARD und ZDF ohnedies versuchen, den größeren kommerziellen Kanälen die Zuschauer abzuwerben, ist unter diesen Umständen wohl eines dieser beiden teuren öffentlich-rechtlichen Mainstream-Programme entbehrlich.

Sofern sich die Anstalten nicht ändern und weiter jede Reform ablehnen, sofern sie nicht sparen wollen (z.B. bei den irren Summen, die sie für Sportrechte aufbieten), sofern sie nicht endlich grundlegend auf Werbung verzichten, sofern sie sich nicht gegenüber dem Einfluss der politischen Parteien emanzipieren, sofern sie die Qualität der Inhalte nicht verbessern und sich an guten Beispielen wie der BBC orientieren, müssen sie sich nicht wundern, wenn landauf, landab über eine Freiwilligkeit bei der Gebührenerhebung nachgedacht wird.

Mancher wirtschaftliberale Medienpolitiker meint, die Zwangsverpflichtung sämtlicher Bürger auf ein Gebührenprogramm entspräche nicht mehr den Anforderungen einer pluralistischen Nischenkultur und einer On-demand-Mediengesellschaft. Wer die öffentlich-rechtlichen Sender in ihrer jetzigen Struktur für unverzichtbar hält, werde sie gewiss freiwillig weiter unterstützen, auch finanziell. Wer sie nicht sieht und ihre Angebote nicht haben will, werde nicht gezwungen, für ihren Bestand finanziell aufkommen zu müssen.

Das wäre ein Modell, bei dem sich ARD und ZDF allerdings auf erheblich weniger Mittel einstellen müssten. Sie wären gezwungen, ihre Kosten sofort radikal zu senken (Verwaltungsausgaben, Mehrfachbesetzungen, millionenteure Moderatoren etc.) und wie ein Unternehmen mit den zur Verfügung stehenden Beträgen auszukommen. Harte Einschnitte wären erforderlich. Die Sender müssten sich auf ihre Stärken konzentrieren und qualitativ hochwertige Angebote aus den Bereichen Information, Unterhaltung und Bildung machen und dabei international mehr koproduzieren. Der Abonnent könnte selbst entscheiden, ob er den Vertrag mit seinen Sendern aufrechterhält oder kündigt. Auch eine Dreigliederung eines höheren, eines mittelhohen und eines niedrigen Beitrags als Angebote für die freiwilligen Gebührenzahler wäre denkbar.

ARD und ZDF würden bei dieser Form der Finanzierung wohl sofort aus dem unsäglichen Quotenwettlauf mit den kommerziellen Wettbewerbern aussteigen müssen. Sie könnten ihre Stärken ausspielen und ihr Publikum mit qualitativ hochwertigen Programmen beliefern. Aber sie wären in ihrer gegebenen Struktur vermutlich akut gefährdet, müssten vielleicht ein Hauptprogramm streichen und Nischensender im Hörfunk ebenso wie im Fernsehen zusammenlegen.

Die Idee der freiwilligen Gebühren ist gegenwärtig wohl wenig zielführend, weil der Ansehensverlust der öffentlich-rechtlichen Kanäle in Deutschland möglicherweise schon so groß ist, dass sie im Rahmen einer Gebührennahme auf freiwilliger Basis existenziell bedroht wären. Im Übrigen wären die privaten Kanäle in Deutschland gegenwärtig kaum in der Lage, dadurch entstehende Lücken bei den Informationsprogrammen zu kompensieren. Ein guter Journalismus ist aber konstituierend für die Demokratie. Deshalb sollten die Reformen des Rundfunksystems mit Maß und stets mit Blick auf die erwartbare Wirkung angegangen werden.

13. Medienkompetenz ist eine Schlüsselqualifikation und gehört deshalb in die Schule.

Schon in den ersten Schuljahren sollten Kinder hierzulande in der Schule lernen, was Medienkompetenz ist und worin sie besteht. Nicht nur der formal-technische Umgang mit Smartphone, Internet und Computerprogrammen will geübt sein, sondern auch die Kulturtechnik Fernsehen. Wer die Gefahren und Abgründe kennt (beispielsweise wie Werbung entsteht, unter welchen Kriterien Journalismus funktioniert, was ihn auszeichnet und wie Bilder lügen können), kann Konsum-Entscheidungen auf einer anderen Basis treffen.

Die Schüler sollten den Unterschied zwischen qualitativen und minderwertigen Programmen, Sendungen und Beiträgen verstehen. Sie würden durchschauen, wie das Fernsehen und andere Medien Stereotype vermitteln, allzu simple Lösungen anbieten und Vorurteile schüren sowie ein unkritisches Bewusstsein erzeugen. Als Folge würden die Mädchen und Jungen wirkungsvoller ihren Medienkonsum steuern, Inhalte sinnvoller selektieren sowie über ihre Erfahrungen auch andere informieren und zu einem sinnvolleren Gebrauch der Medien anregen können.

14. Der hochwertige, überraschende, freie und kritische Journalismus sollte im öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine Heimat (wieder)finden.

Das öffentlich-rechtliche Programm kann und sollte wieder journalistischer werden. Das war einmal die Stärke der Gebührensender. Echte, unverbrauchte Menschen, die tatsächlich etwas zu sagen oder zu erzählen haben, möchte man sehen. Der Normalbürger sollte vorkommen, nicht die immer gleichen 300 deutschen Fernsehgesichter aus der A-, B-, C- und D-Promi-Gemeinde.

Die steigende Qualität der Programme würde ambitionierten Redaktionen ermöglichen, ihre Nischen zu finden, in denen sie selbstbestimmt arbeiten können. Sie sollten die Freiheit haben, ihren Job konsequent nach journalistischen Regeln und transparenten Qualitätsrichtlinien zu machen – ohne Rücksicht auf politische Befindlichkeiten, auf Lobbygruppen und die Vorlieben der Vorgesetzten.

Bei der Auswahl der Redakteure und freien Mitarbeiter könnte ebenfalls mehr Wert auf Qualität, Weltläufigkeit, Kreativität, Horizont und Intellekt gelegt werden als auf Parteizugehörigkeit und Verwandtschaftsgrad zu einem Rundfunkratsmitglied. Die Redakteure müssen angstfrei arbeiten können, mit Fehlertoleranz und ohne Denkverbot, Schere im Kopf oder vorauseilenden Gehorsam. Redaktionen arbeiten produktiver, wenn sie möglichst heterogen besetzt sind und ein breites gesellschaftliches Spektrum abdecken. Duckmäuser und Speichellecker gehören nicht in einen unangepassten, überraschenden und den Mächtigen unbotmäßigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

ARD und ZDF sollten kürzere Formen von Hintergrundinformationen einsetzen. Beispielsweise könnten sie kürzere dokumentarische Muster entwickeln, so dass Reportagen und Dokumentarfilme auch in 10 oder 20 Minuten im Programm untergebracht werden können. So gingen die Sender auf die Schnelllebigkeit der Zeit ein und lieferten doch monothematische Akzente in Form von Hintergrundbeiträgen. Diese Sendungen könnten Interesse an öffentlichen Fragen schüren, sie können Missstände anprangern, Kreativität und Gemeinsinn fördern und die Menschen zu mehr Hilfe für Schwache und an den Rand Gedrängte motivieren. Ansatzweise wird das bei der ARD in Form des „Brennpunkt“-Formates gemacht. Diese tagesaktuellen Sendungen allerdings zeigen meist nur die neuesten Nachrichtenbilder über ein bedeutendes Geschehen, zusätzlich unterhält sich ein Moderator im Studio mit einem Reporter vor Ort oder er befragt einen Experten auf dem jeweiligen Gebiet. Wenn also ein Zug entgleist ist, wird ein Bahn-Fachmann ins Studio gebeten. Neben diesen aktualitätsbezogenen Programm-Ergänzungen sollten die öffentlich-rechtlichen Sender zeitkritische monothematische Stücke produzieren und senden, die nicht zwingend abendfüllend sind, sondern zugespitzt und liebevoll ein Thema auf den Punkt bringen. Auch damit würden sie sich qualitativ von der kommerziellen Konkurrenz absetzen. Die Tages- und die Nachrichtenmagazine könnten mit den Möglichkeiten des Fernsehens kreativer umgehen, unterschiedliche Darstellungsformen ausprobieren, mehr Spontaneität zulassen und so immer wieder besondere Akzente setzen.

15. Das Programmfernsehen braucht unkonventionellere, anspruchsvollere, überraschendere Inhalte.

Streamingdienste und YouTube arbeiten, wie immer wieder zu lesen ist, auch an Live- bzw. Linear-Programmen. Hier würden ARD und ZDF neue Wettbewerber entstehen. Wie also müsste ein attraktives öffentlich-rechtliches Fernsehprogramm künftig aussehen? Es könnte viele dokumentarische, also beobachtende Sendeformen geben. Das Publikum sollte den Produktionen anmerken, mit welcher spielerischen Kreativität, mit welchem Mut und mit welcher Leidenschaft die Autoren ihre Filme machen. Die Produktionen würden die Menschen weniger mit Oberförstern, Traumschiffkapitänen und Commissario Brunetti betäuben und mehr zum Nachdenken anregen. ARD und ZDF könnten stärker international koproduzieren, damit Ausgaben sparen und qualitativ hochwertigere Produktionen erhalten. Denn der Vertrieb war sowieso immer ein Stiefkind bei den Gebührensendern. International gilt das deutsche Fernsehen als zu verkopft und zu wenig storydriven.

Der gesellschaftliche Status quo würde ständig in Frage gestellt. Bürger und Sender könnten das Programm als kulturelle Leistung verstehen, die nicht nur den Menschen einen Spiegel vorhält, sondern hilft, die Gesellschaft weiter zu entwickeln über den Tag hinaus. Das Fernsehen verstände sich selbst ein wenig mehr als Kunstwerk und Motor einer nachhaltigen Modernisierung.

Fast alles ist möglich im Fernsehen, wenn die Redakteurinnen und Redakteure selbstbewusst sind, sich als Journalisten begreifen, die in erster Linie der Gesellschaft gegenüber verpflichtet sind und mutig anfassen, was sie selbst als wichtig erachten. Dabei sind quantitative Misserfolge bei der Publikumsresonanz keine Katastrophen – im Gegenteil: Auch Minderheitenprogramme müssen als Verpflichtung verstanden werden. An einem solchen gleichermaßen anspruchsvollen wie munteren Medium wollen dann nicht zuletzt auch Künstler und Intellektuelle teilhaben und mitwirken.

Feste Programmplätze, -zeiten und -längen bieten dem Publikum Orientierung und sind deshalb wichtig. Aber das neue Fernsehen könnte seine Möglichkeiten nutzen, mit Gewohnheiten brechen und mit seinen vielen Spielformen changieren, um die Zuschauer, die politisch und wirtschaftlich Mächtigen und die Kritiker zu überraschen.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wird es nicht leicht haben, als smarter Anbieter von den digital natives akzeptiert zu werden. Gegenwärtig gilt er mit seinen linearen Programmen, seinem veralteten (Offline-)Hauptvertriebsweg, seinen Werbeunterbrechungen und seinem bräsigen Heile-Welt-Fernsehen als Saurier. Coole Inhalte sind anders: grauer, überraschender, mutiger, verstörender, brüchiger – und damit jünger.

Weiterführende Informationen:

ARD und ZDF: die Gefährdeten

Geliebte Verblödung

Herzliche Grüße

Matthias Michael, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Reputationsmanagement