Viele Unternehmen vernachlässigen Chancen, ein öffentliches #Ansehen und #Vertrauen aufzubauen

Wenn Kinder mit zunehmendem Alter feststellen, dass ein Teil ihres Wesens böse ist und sie auch niedere Motive hegen, versuchen sie, diese unerwünschte Seite ihrer Persönlichkeit zu verbergen. Sie haben Offenbarungsangst. Wenn sie später erwachsen werden und Vorträge und Präsentationen halten müssen, haben viele von ihnen enormes Lampenfieber und Herzrasen. Sie haben dann erneut Offenbarungsangst – getreu dem Diktum aus dem Altertum Si tacuisses, philosophus manisses: Hättest Du geschwiegen, würde man Dich weiter für weise halten. So wachsen viele Menschen auf und scheuen sich, über Schwächen und Fehler zu sprechen. Sie fürchten sich vor Publikum und Öffentlichkeit. Sie wollen ihr Gesicht nicht verlieren, nichts Falsches preisgeben, nicht lächerlich gemacht werden.

Prinzipiell das gleiche gilt für Unternehmen und andere Organisationen. Viele von ihnen verhalten sich noch immer zurückhaltend im Umgang mit den Medien und der Gesellschaft, ihre Selbstdarstellungen lassen zu wünschen übrig, sie vernachlässigen die Möglichkeiten der modernen #Unternehmenskommunikation. Auf dem ungewohnten Terrain der gesellschaftlichen #Wahrnehmung wollen sie keine Fehler machen.

Vor allem Betriebe, die ein reines #Firmenkundengeschäft betreiben (B2B-Unternehmen) und keinen direkten Zugang zu Verbrauchern haben, scheuen das Licht der Öffentlichkeit. Manch ein mittelständisches Unternehmen aus diesen Reihen pflegt weiter sein Credo wie vor einem halben Jahrhundert: „Was wir auf unserem Werksgelände machen, geht da draußen, hinter unseren Mauern und dem Stacheldraht, niemanden etwas an.“

Wer niemals einen größeren #Störfall oder eine existenzielle #Krise mit seinem Unternehmen erlebt hat, der mag weiter so agieren, als habe es die #Digitalisierung, das Internet, die Globalisierung und die #Vernetzung von Menschen nicht gegeben. Sobald allerdings diese Firma durch ein #Fehlverhalten oder durch wirtschaftliche Schwierigkeiten in den Fokus der #Öffentlichkeit rückt, rächt sich die kommunikative Ignoranz gegenüber seinen internen und externen #Anspruchsgruppen.

Bei einem Zwischenfall dreht ein Teufelskreis an
und nimmt Fahrt auf

Denn plötzlich berichten die #Medien, #Journalistinnen recherchieren, befragen Mitarbeitende, Kunden, Wettbewerber, Lieferanten. Viele unterschiedliche Institutionen und Gruppen melden sich bei der Geschäftsführung und verlangen Auskunft. Vielleicht kommt die Steuerfahndung. Oder die Staatsanwaltschaft durchsucht Büros und stellt Akten und Daten sicher, Fernsehteams drehen am Werkstor und bitten um Gesprächspartner aus dem Management, Aufsichtsbehörden verlangen Dokumente und Stellungnahmen, Kunden und Lieferanten fragen nach, was los ist. Gerüchte und der Flurfunk feiern fröhliche Urständ. #Vertrauen geht verloren, der Umsatz sinkt, die Unruhe in der Belegschaft wächst, vielleicht steigt die Fluktuation der Mitarbeitenden und infolgedessen kann die Qualität der Produkte leiden. Ein Teufelskreis nach unten dreht an und nimmt Tempo auf. Der #Rufschaden für die Firma ist programmiert. Das kann bis zur #Insolvenz führen.

Unter Rechtsgelehrten gibt es den interessanten Begriff des „Teilschweigens“. Ein Angeklagter beispielsweise, der nur das zugibt, was längst bewiesen ist und sonst nichts zur Klärung von Sachverhalten beiträgt, dem wird sein Verhalten als #Teilschweigen ausgelegt. Sofern er für schuldig befunden wird, muss er mit einer höheren Strafe rechnen, als wenn er von vornherein sein gesamtes Wissen preisgegeben und das Verfahren so verkürzt und vereinfacht hätte. Dagegen hätte ihm das Gericht ein vollständiges Auspacken seines Wissens über den in Rede stehenden Sachverhalt als Demut und Reue, im besten Fall als Umkehr strafmindernd zugutegehalten.

Ganz ähnlich verhält sich die Beziehung zwischen der #Öffentlichkeit und einer Firma, die eines Fehlverhaltens beschuldigt wird. Auch hier erwartet die Gesellschaft, dass umfassend und ohne falsche Rücksichtnahme gehandelt und kommuniziert wird. Sonst wird auch dem Unternehmen implizit ein „Teilschweigen“ vorgeworfen.

Unternehmen sollten
ihre schwierigen Themen behandeln

Ein professionelles #Krisenmanagement fängt deshalb viel früher an. Es fördert beispielsweise eine gute #Unternehmensführung (Corporate Governance), so dass im Betrieb angstfrei und mit kritischer Distanz kommuniziert wird. Die Beschäftigten wissen üblicherweise, was in der Firma schiefläuft. Sie können es benennen, darüber reflektieren und Lösungen entwickeln – sofern die Atmosphäre und der Umgang im Betrieb dies zulassen bzw. fördern. Wenn sich niemand traut, Entscheidungen in Frage zu stellen, und das Für und Wider zu diskutieren, weil streng hierarchisch und autoritär geführt wird, dann sind Mängel, Abgänge, Frust und Fehleinschätzungen absehbar.

Folglich sollten Organisationen mit all ihren Anspruchsgruppen einen Dialog führen und ihnen erstens über die eigenen Besonderheiten, Stärken und Erfolge berichten, aber ihnen zweitens auch die #Risiken erklären, die qua Geschäftsmodell eingegangen werden müssen. Jedes Unternehmen sieht sich gezwungen, mit bestimmten Risiken umzugehen. Die Frage ist, wie offensiv und problembewusst es dies tut. Zur #Krisenprävention zählt, besonders die schwierigen Themen zu behandeln, die zu Störfällen jedweder Art führen könnten. Hier sollte ein Unternehmen dokumentieren, dass es seine Risiken aktiv minimiert hat und mehr gegen mögliche Fallstricke getan hat, als man erwarten würde. Nur dann kann es bei einem entsprechenden #Zwischenfall glaubwürdig und umfassend kommunizieren und einen nachhaltigen #Reputationsschaden vermeiden.

Firmen, die ihr Ansehen pflegen,
werden nachhaltig wachsen

Schon aus diesem Grund sollte die #Kommunikationsleitung idealiter Mitglied der Geschäftsführung sein. Dieser Bereich kann das Reputations- und #Risikomanagement sowie das #Marketing umfassen. Vielleicht auch noch den Verkauf, weil Marketing und Kundenbetreuung eng verwoben sind. In den USA trägt für diese Verantwortungsbereiche zunehmend der Chief Reputation Officer (CRO) die Verantwortung.

Unternehmen, die ihr Ansehen professionell pflegen, werden nachhaltig wachsen. Viele Menschen wollen sich mit guten Marken identifizieren und kaufen deren Produkte. Wobei  die Ansprüche an die Firmen steigen. Wer seine Themen, Anspruchsgruppen und Kommunikationsmöglichkeiten nicht gut kennt und immer wieder strategisch Dialog führt, wird nicht langfristig erfolgreich sein.

Herzliche Grüße, Ihr

Matthias Michael, Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Reputationsmanagement