Viele Menschen fühlen sich von ihrem Job entfremdet – dabei können Verwaltungen und Unternehmen dafür sorgen, dass die Beschäftigten sich zu Fans ihrer Einrichtung entwickeln
„Man sollte nie unterschätzen, wie wichtig es ist, früh im Leben jene Arbeit zu finden, die Spiel ist.
Das verwandelt potenzielle Minderleister in glückliche Krieger!“
Paul Samuelson, Ökonom und Nobelpreisträger
Das US-amerikanische Marktforschungsunternehmen Gallup ermittelt seit mehr als 20 Jahren jährlich, wie viele Werktätige in bestimmten Industrienationen nur Dienst nach Vorschrift machen und sich mit ihrem #Arbeitgeber und ihren Arbeitsinhalten nach deren eigenen Angaben kaum identifizieren. Die Zahlen sind erschreckend: rund 83 Prozent in Deutschland. Wer seine #Arbeit macht, ohne dabei #Wertschätzung zu spüren, macht sie schlechter. Dazu passt: Millionen Menschen in Deutschland sind unzufrieden mit ihrer Arbeit, wie Umfragen immer wieder belegen. Die Zahl der Krankheitstage wegen seelischen Störungen wie #Burnout nehmen seit Jahren zu. In der Ära des Fachkräftemangels werden sich Unternehmen folglich demokratisieren müssen.
Sie können verstärkt versuchen, ihre Beschäftigten zu begeistern. Das funktioniert durch ein dauerhaftes und selbstverständliches Fördern, Coachen, Motivieren und Wertschätzen. Um eine solche Kultur zu erreichen, benötigen die Arbeitgeber in einem Punkt ein wesentliches neues Verständnis: #Vorgesetzte sind idealerweise nicht nur Fachleute für die jeweiligen Arbeitsinhalte. Vielmehr glänzen sie in erster Linie als Experten für #Menschenführung. So nutzen sie ihrem Arbeitgeber am meisten. Das bedeutet: Die beste Verkäuferin wird nicht zum Verkaufsleiterin ernannt. Denn auf dieser Position, die gänzlich andere Qualitäten erfordert, kann sie erstens nicht mehr für Verkaufserfolge sorgen und möglicherweise wird sie zweitens im Fach Menschenführung, das sie nicht gelernt hat, komplett versagen. Doppelter Schaden. #Führung sollte folglich gelehrt und erprobt werden. Sie ist die wichtigste Voraussetzung für eine menschenfreundliche und mithin erfolgversprechende #Organisationskultur.
Aber nicht irgendeine Arbeit sollte von den Menschen ausgeführt werden, sondern idealerweise eine, in der sie sich ein Stückweit verwirklichen und ihre Stärken und Besonderheiten nutzen können. Die Möglichkeit, die eigenen Talente zu entfalten, zählte bei Aristoteles zu den Kernelementen des guten Lebens. Immanuel Kant betrachtete das Nutzen und Weiterentwickeln der eigenen Fähigkeiten sogar als Pflicht gegenüber sich selbst. Das sah die Philosophin und Journalistin Hannah Arendt aus ihrer Erfahrung in den 1950er und 1960er Jahren anders: Sie beschrieb die Arbeit deprimierend als die „Notdurft des Lebens“. Das Spiel hingegen pries sie als „freier Kräfteüberschuss und Freiheit des Lebens“. Hier, beim Spiel, könne man Zerstreuung und Erfüllung suchen, nicht bei der Arbeit.
Für die Generationen Y und Z ist die Arbeit viel mehr als nur ein Broterwerb. Sie wollen sich großenteils eins fühlen mit den Zielen und dem Handeln ihres Arbeitgebers. Folglich streben sie danach, etwas erkennbar #Sinnvolles zu leisten, bei dem sie die Welt idealerweise ein klein wenig zu einem besseren Ort machen. Mit ihrem Tun wollen viele von ihnen originär der Menschheit nutzen.
Führung und Kultur sind
für die Identifikation wichtiger als Geld
Die Realität sieht mehrheitlich anders aus. Da ist der Mensch häufig ein Wesen mit zwei Ich-Zuständen. Tagsüber arbeitet und erfüllt sein erstes Ich Tätigkeiten, die ihm zugewiesen werden – gleichsam als Human Interface und Roboterersatz. Davor und danach lebt er, nämlich als zweites Ich in seiner Freizeit. So sehen das viele Menschen, die sich mit ihrer Arbeit nicht identifizieren. Nun gibt es Versprechungen, das erste und das zweite Ich aufzuheben und beides harmonisch zu verbinden. Dieser Anspruch nennt sich New Work. Die Gemeindemitglieder der „Neuen Arbeit“ wollen durch agiles Arbeiten, durch das Einreißen von #Hierarchien, durch ein kollaboratives #Führungsverständnis, durch Teilhabe und vielfältige Annehmlichkeiten für die Arbeitenden zu einem neuen Miteinander innerhalb der Unternehmen, Verwaltungen und staatlichen Einrichtungen beitragen.
Das Durchsickern dieser Ideen und Ansprüche führt gegenwärtig zu zwei Ergebnissen: Erstens sorgen viele Arbeitgeber inzwischen für formale Incentivierungen wie gesundes Essen, Küchen- und Lounge-Ecken, Home-Office-Möglichkeiten oder kostenfreie Monatskarten für den öffentlichen Nahverkehr. Dies sind möglicherweise gute Hygienefaktoren. Zweitens aber scheitern viele Versuche, alteingesessene Gruppen und Abteilungen zu einem sogenannten agilen und sonach einigermaßen gleichrangigen, hierarchiesublimierenden Arbeiten zu bewegen. In vielen Bereichen ist das schwerlich möglich, weil es Verantwortlichkeiten gibt, weil formale Ausbildungen und Kenntnisse verlangt werden, weil der Arbeitgeber eine Aufweichung der Entscheidungsprozesse ablehnt oder weil die Gruppenmitglieder mit der geforderten Agilität nicht klarkommen, da sie eindeutige Vorgesetzte gewohnt sind, benötigen und vorziehen. So wird die Arbeit wohl noch lange ein Schauplatz sein, wo Konflikte ausgetragen werden und Macht erlebbar ist.
Wo Untergebene immer wieder geprüft und evaluiert werden,
herrschen Kontrolle, Unsicherheit und Angst
Wo indes überhaupt nicht über #Veränderungen und Annehmlichkeiten für die Arbeitenden nachgedacht wird, werkeln die Beschäftigten mitunter in einer stupiden und geisttötenden Atmosphäre, ohne dass ihre Vorgesetzten etwas davon ahnen. Im Gegenteil: Die Team- und Abteilungsleitenden begreifen sich als gute Chefinnen und Chefs – allein die Begrifflichkeit verrät schon viel über die Kultur in einer Organisation. Denn „Chef“ hört sich noch immer so an, wie ein Firmenpatriarch in den 1960er Jahren angesprochen wurde. Oder wie nach einem Chefarzt, der immer Recht hat. Und wenn er ausnahmsweise mal nicht Recht hat, sollte man sich als Assistenzärztin überlegen, ob es opportun oder fürs eigene Fortkommen strategisch geschickt wäre, dies kundzutun. Solche Konfrontationen mit einer dysfunktionalen Machtverteilung an der Arbeitsstelle führen ebenso wie Überforderungen und Unterforderungen bei Menschen über kurz oder lang zu Frustrationen. Die Betroffenen haben dann das Gefühl, sich nicht mit ihren Fähigkeiten einbringen zu können und an dieser Stelle falsch zu sein.
Wenn sich Abteilungen abschotten gegen alles, was von außen kommt, zelebrieren sie ihr #Silodenken und -handeln. Sie wollen starr an Althergebrachtem festhalten und haben Angst vor jeder Art von #Veränderung. So entwickelt sich kaum etwas zum Besseren. Wer kein Stammesmitglied ist, wird aus dieser Abteilung schnell wieder verschwinden.
Wo Untergebene obendrein noch geprüft und evaluiert werden, herrscht eine Atmosphäre von Beobachtung, Unsicherheit und Angst. Viele Vorgesetzte in den Industrieländern sind Meister im #Überwachen der Arbeitskräfte, sie streben nach Musterung und Kontrolle. Damit haben sie den Anspruch aufgegeben, #Vorbilder zu sein. Denn Wachposten sind keine Vorbilder, nirgendwo. Dummerweise hat ein Gros der Unternehmen und Verwaltungen solche Kontrollinstrumente eingeführt (teils sogar automatisierte). Sie meinen, auf diese Weise die #Effektivität ihrer Beschäftigten zu steigern. Das kann ein Trugschluss sein. Wer sich dauerhaft von seinem Arbeitgeber und seinen Vorgesetzten überwacht und gegängelt fühlt und nicht weiß, was die #Führungskraft von einem hält, der wird nicht jene Leistung bringen, die er in einer angenehmen, wertschätzenden und innovationsfreudigen Atmosphäre selbstbewusst, frei und mit #Engagement bringen könnte. Die ständige Bewertung wird wahrgenommen als Entwertung. Dagegen fordert die passende Arbeit die Person ganz und gar, gleichsam mit Herz, Hirn und Hand, so dass sie erlebt, ihre Kenntnisse und Erfahrungen wertsteigernd einsetzen zu können. Auf diese Weise entwickeln sich die Menschen weiter, sie lernen durch Praxis. Die Beschäftigten müssen viel geben, aber sie können das Geforderte auch leisten.
Gute Arbeit bedeutet: Selbstverwirklichung
und Identifikation mit dem Zweck
Allenthalben haben Unternehmen und andere Einrichtungen in den vergangenen Jahrzehnten ihre „Werte“ entwickelt und veröffentlicht. Sie dauerhaft umzusetzen, also tatsächlich zu leben, kann ein schwieriger und manchmal sogar schmerzhafter Prozess sein. Hier ist Kreativität gefragt, man muss möglicherweise experimentieren, Verfahrensweisen aushandeln und immer wieder üben, mit den Werten umzugehen. Auf diese Weise lernen alle Beteiligten, aufeinander zuzugehen, Empathie zu dokumentieren, gemeinsam beste Lösungen zu entwickeln und Vernunft, statt negative Emotionalität walten zu lassen.
Welch großartiges Gefühl, wenn jemand etwas geschaffen und vollendet hat und vorher nicht wusste, ob er es tatsächlich zu Ende bringen könnte. Solche Erfolge geben Menschen das Gefühl, etwas bewegen zu können in der Welt. Sie steigern damit ihre Selbstachtung, ihr Selbstbewusstsein sowie das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Gute Arbeit lässt sich aus der Sicht des Stelleninhabers interpretieren: Sie ist gut, wenn sich die jeweilige ausführende Person mit ihr selbstverwirklichen kann. Gleichzeitig sollte die Arbeit natürlich ihren Zweck erfüllen. Wenn sie dann noch zu einem ethisch guten Leben beiträgt – umso besser. Als weitere Dimension von guter Arbeit lässt sich definieren: Moralisch gute Arbeit ist eine, die anderen Menschen nutzt. Arbeit wird dann nicht nach Arbeit aussehen, sondern eher nach #Verwirklichung, nach Anerkennung, nach einem Handeln aus Antrieb und positiver Laune. Sie kann leicht und freudvoll wirken und sein. Die Menschen wollen ihr Können zeigen – und dafür auch einen Lohn oder eine andere Form von Achtung erhalten. Die Arbeit sollte die Möglichkeiten der Menschen fördern und fordern – und damit mehren.
In einer postheroischen Führung
geben Vorgesetzte Kontrolle ab
Eine wichtige Rolle fällt dabei den Führungskräften zu. Sie gestalten die #Unternehmenskultur. Das ist alles das, was sichtbar und unsichtbar das Miteinander ausmacht: Rituale und Feiern, Freundschaften, Kameraderie, Gewohnheiten, Werte, Umgangsformen… Wichtig für die #Arbeitszufriedenheit ist die Selbstbestimmung. Die alte Ordnungsgarantie war die hierarchische Struktur. Wer oben war, sagte, was und wie gearbeitet wird. Die neue Ordnungsgarantie ist vielleicht die erfolgreiche technische Vernetzung von Menschen, Apparaten und Organisationen. Am zufriedensten sind jedenfalls jene Kräfte, die ihre Arbeitsprozesse und ihre Arbeitszeit selbst gestalten können. Dazu zählen auch die Arbeitsumgebung und die Atmosphäre unter den Beschäftigten – das Miteinander. Zufriedenmachende Arbeit ist eine, die grundlegende Bedürfnisse von Menschen erfüllt: Sicherheit, Freiheit, Anerkennung, soziale Harmonie. Eine solchermaßen postheroische Führung bedeutet: Der oder die Vorgesetzte gibt freiwillig Kontrolle ab und verschenkt Vertrauen an die Teammitglieder. Die Führungskraft delegiert und gibt zu, nicht alle Herausforderungen allein lösen zu können, auf ihr Team angewiesen zu sein. Der Erfolg eines Unternehmens hängt wesentlich davon ab, wie weit sich die Beschäftigten mit der Firma tatsächlich identifizieren. Sind Sie stolz auf ihren Arbeitgeber? Und darauf, hier arbeiten zu dürfen? Wenn ja, werden sie sich anders einbringen als Kräfte, die nur Dienst nach Vorschrift machen, kein Engagement zeigen, keine Verantwortung übernehmen und keine Ideen und Vorschläge liefern. Jede Organisation sollte versuchen, die Zahl dieser Quiet Quitter so gering wie möglich zu halten. Solche Beschäftigten halten die Inhalte ihrer Tätigkeiten oft für ziemlich wertlos – und entsprechend für unangenehm. Deshalb können Arbeitgeber viel dafür tun, das Handeln ihrer Beschäftigten mit Sinn zu füllen.
Fast ebenso deprimierend ist Langeweile an der Arbeitsstelle: das #Boreout-Syndrom. Das ganze Leben über braucht der Mensch die Abwechslung aus Anspannung und Entspannung. Jede Geschichte funktioniert so. Immer gibt es Phasen, die sind herausfordernd und anstrengend, und solche, die sind entspannend und zum Feiern da. Selbst das menschliche Herz arbeitet auf diese Weise. Übrigens ist das Herz ein Meister in Sachen #Work-Life-Balance. Denn seine Zeit der Kontraktion ist immer sehr kurz, verglichen mit der Zeit der Entspannung. Deshalb ist es so lange und so fehlerfrei leistungsfähig. An der Arbeit heißt die Reihenfolge: Herausforderung, Leistung, Erfolg, Belohnung – z.B. mittels Lob.
Beim Conscious Quitting kündigen Beschäftigte, weil ihre Werte nicht oder nicht mehr mit den Werten der Arbeitgeber übereinstimmen. Gerade die jüngeren Generationen achten stärker auf die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen, dazu gehören Werte wie Gerechtigkeit, Inklusion und Diversität. Mitunter ist bereits vom Climate Quitting die Rede, wenn Beschäftigte kündigen, weil der Arbeitgeber in ihren Augen nicht ökologisch genug wirtschaftet. Einer KPMG-Studie aus England zufolge hat jeder fünfte Befragte schon eine Jobchance abgelehnt, weil das jeweilige Unternehmen nicht so viel Wert auf die ESG-Kriterien legte, wie sich der Interessent erhofft hatte. Das Kürzel ESG steht für Environment (Umweltschutzaspekte), Social (Sozialleistungen) und #Governance (Führungskultur). Besonders wichtig war den 18- bis 24-Jährigen die Vereinbarkeit ihrer #ESG-Ansprüche mit denen des Unternehmens. In dieser Altersgruppe gab jeder dritte an, aufgrund von fehlenden gemeinsamen Werten ein Jobangebot abgelehnt zu haben.
Leistungen können unterschiedlich bezahlt werden:
z.B. mit Geld, mit Prestige und mit der Zuteilung von Macht
Ein Arbeitserfolg dokumentiert sich in finanzieller Anerkennung und – mindestens ebenso wichtig – in Aufstiegsmöglichkeiten: mehr Verantwortung, mehr berufliche Freiheit, mehr geldwerte Incentivierungen. Arbeitsleistungen werden demzufolge unterschiedlich bezahlt: mit Geld, mit Anerkennung bzw. Prestige, mit der Zuteilung von Macht.
Die europäischen und amerikanischen Demokratien sind durchwirkt vom protestantischen Arbeitsverständnis. Martin Luthers (1483-1546) Vorstellung von Arbeit war, dass der Mensch mit ihr Gott zeigt, wie man ihm im Alltag dient. Arbeit als Dienst für Gott. So drückt es heute kaum noch jemand aus, aber die Haltung sowohl der Gesellschaft als auch der meisten Werktätigen zementiert genau dieses Ethos. Seit dem 16. Jahrhundert haben sich diese Gedanken, als Tugend verkleidet, epigenetisch weiterentwickelt. Die Arbeitswelt preist diese reformatorischen Prinzipien mitunter als Segen, denn mit der Haltung, Arbeit sei eine aufgegebene Pflicht, die nicht in Frage gestellt werden sollte, steht sie im Mittelpunkt des Lebens. Alles andere hat sich ihr unterzuordnen, z.B. die Freizeit, die Muße, der Schlaf.
Ein Zeitgenosse Luthers beim Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit im 16. Jahrhundert war der einflussreiche französische Theologe Jean (Johannes) Calvin (1509-1564). Er teilte die Menschen ein in Auserwählte, denen es mittels ihrer fleißigen Arbeit gut ging und die zu Wohlstand kamen, sowie in Verdammte, die erfolglos waren. Man unterstellte diesen weniger wirtschaftlich erfolgreichen Menschen, sie seien nicht so fleißig, strebsam und diszipliniert wie die Erfolgreichen. Insoweit kann der Calvinismus als Frühform des Kapitalismus gelten. Jedenfalls trieb er das kapitalistische Denken und Handeln voran. Diesen Gedanken hat als erster der deutsche Soziologe Max Weber (1864-1920) in seiner „#Protestantismusthese“ publiziert. Er hat die Vorstellung von der Arbeit als gottgewollten Lebenszweck als Voraussetzung und Frühform des entstehenden Kapitalismus im 16. Jahrhundert erkannt: „Die Fähigkeit der Konzentration der Gedanken sowohl als die absolut zentrale Fähigkeit, sich der Arbeit gegenüber verpflichtet zu fühlen, finden sich hier besonders oft vereinigt mit strenger Wirtschaftlichkeit, die mit dem Verdienst und seiner Höhe überhaupt rechnet und mit einer nüchternen Selbstbeherrschung und Mäßigkeit, welche die Leistungsfähigkeit ungemein steigert. Der Boden für jene Auffassung der Arbeit als Selbstzweck, als Beruf, wie sie der Kapitalismus fordert, ist hier am günstigsten.“
Calvin predigte eine Erlösung durch
Gehorsam, Dankbarkeit, Fleiß und Genügsamkeit
Der nach Calvin benannte Calvinismus, so Weber, habe später, im 18. Jahrhundert, die Arbeitsmoral und -ethik in England und Mitteleuropa maßgeblich geprägt. Für die Calvinisten steht der wirtschaftliche Erfolg der Arbeit im Vordergrund. Zeitvergeudung, beispielsweise durch langen Schlaf oder durch Luxuskonsum, sei die schlimmste Sünde. Die Arbeit war für sie der von Gott vorgeschriebene Selbstzweck des Lebens. Calvin predigte, eine Erlösung für Menschen sei durch Gehorsam, Dankbarkeit, Fleiß, Selbstdisziplin, Sparsamkeit und Genügsamkeit erreichbar. Weil der Luxus als Sünde begriffen wurde, entstand der Gedanke, dass die erwirtschafteten Mittel für Investitionen gebraucht werden sollten, was wiederum zu einem wirtschaftlichen Erfolg führe, weil mit dem Geld die neuesten Geräte und effektivsten Methoden eingesetzt werden konnten. Wer in der calvinistischen Welt mit seinem Arbeitsethos zu wirtschaftlichem Wohlstand kommt, kann dies als Zeichen der Erwählung und des Gnadenstandes interpretieren. So haben der Calvinismus und der mit ihm verbundene Puritanismus vor allem die anglo-amerikanische Welt bis heute durchwirkt. Aber auch der Katholizismus versteht die Berufsarbeit und ihren Erfolg als fundamentale Form personaler Selbstverwirklichung und räumt ihr einen Vorrang vor dem Kapital ein (Enzyklika von Papst Johannes Paul II.: Laborem exercens). Die Arbeit wird gepriesen als Dienst am Mitmenschen.
Moderne Philosophen sehen in der Arbeit gleichermaßen eine Zumutung und eine Befriedigung, die Sinn und Wohlbefinden ausdrückt. Arbeit stiftet Identität, sie kann die Menschen tatsächlich glücklich machen. An ihrer Arbeitsstelle indes fühlen sich Millionen Menschen hierzulande die ganze Woche über wie Befehlsempfänger. Sie arbeiten in hierarchisch strukturierten Organisationen. Viele von ihnen können sich an ihrer Arbeitsstelle kaum einbringen mit ihren Stärken, Leidenschaften, Erfahrungen und Besonderheiten. Vor diesem Hintergrund können Führungsspitzen von arbeitgebenden Einrichtungen erkennen: Erfolg bedingt Passion und Einsatz, meistens jedenfalls. Pflichterfüller sind Gelangweilte ohne Feuer. Genies brennen.
Herzliche Grüße, Ihr
Matthias Michael
Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Reputationsmanagement