Wenn Unternehmen die Möglichkeiten der Chef-Positionierung nutzen, hilft das den eigenen Marken, Produkten und Dienstleistungen
Viele Unternehmen kommunizieren ausschließlich über ihre Marken und Produkte. Sie meinen, das müsse reichen. Hauptsache, die Waren verkaufen sich und haben einen guten Ruf, weil sie einen Kundenmehrwert bieten. Menschen als Botschafter? – Kein Thema für diese Firmen.
Wie heißen die Deutschland-Chefs von Beiersdorf, von Fresenius, von der Munich Re oder von Nestlé? Die meisten Konzernlenker in Deutschland wollen sich „in den Dienst ihrer Marken“ stellen und zeigen öffentlich wenig Präsenz. So bleiben sie für die Mehrheit der Verbraucher, die ihre Produkte und Marken nutzen, unbekannte Wesen.
Warum sitzen sie nicht in Talksendungen des Fernsehens? Warum präsentieren sie sich nicht dem großen Publikum als Botschafter ihrer Unternehmen wie einst Bill Gates, Larry Page und Steve Jobs? Der Vergleich mag etwas hinken, weil Gründungseigentümer mitunter anders handeln als angestellte Manager. Aber viele amerikanische CEOs haben ein sehr anderes Verhältnis zur Öffentlichkeit als deutsche.
Das liegt erstens ein wenig in der amerikanischen Kultur und im Naturell der US-Manager, ihr Land, ihre Unternehmen, Marken, Produkte und auch sich selbst großartig zu finden und dieses Bewusstsein selbstbewusst auszudrücken. Zweitens gehen sie meist erheblich gelassener und selbstverständlicher mit der Öffentlichkeit um. Drittens haben viele Unternehmen in den USA verstanden, was Chef-Positionierung (CEO Positioning) bedeutet und welche enorme Wirkung damit verbunden ist. Entsprechend legen sie mehr Wert auf die Media-Performance ihrer Steuermänner und -frauen. Das bedeutet: Der bekannte Kopf eines Unternehmens prägt zu einem großen Teil die Reputation seiner Firma und all ihrer Werte. Er strahlt wie ein Leuchtturm. Sein gutes Auftreten und Image sind hernach das seiner Firma und der von ihr hergestellten Waren.
Jobs war Apple, und Apple war Jobs. Er inszenierte sich als genialer Erfinder, als charismatischer Verkäufer, als bewundernswerter Selfmade-Milliardär, als gleichermaßen ästhetisch wie funktional orientierter Visionär. Was wäre Apple ohne den Vordenker im schwarzen Rolli? Er hat erstens die Marke bekannt gemacht und sie zweitens mit seinen Auftritten bei der Vorstellung neuer Produkte gepflegt – durch Persönlichkeit, Akribie und Leidenschaft. Die ganze Technikwelt wartete stets auf seine Performance, auf die Neuerungen aus seinem Haus, auf den Anspruch, die Geräte noch schöner, noch kleiner, noch leichter und noch funktionaler zu machen. Damit lief seine Darbietung in fast allen Nachrichtenmedien weltweit – für Apple war das ein geniales Marketing, das kaum etwas kostete, aber jedes Mal einen Media-Gegenwert (in Form von redaktioneller Berichterstattung) von Abermillionen Dollar bedeutete. Das ist fürs Unternehmen besser, weil glaubwürdiger, als jede Werbung.
Deutsche Manager sollten eitler sein
Deutsche Manager verstehen das meist nicht als ihre Aufgabe. Sie sitzen in ihren Büros, treffen Vertragspartner, leiten Meetings mit ihren Führungskräften, sie entscheiden, verantworten und kümmern sich um die reibungslose Produktion. Sie wirken integrativ und denken dabei kaum in Kategorien von Selbstvermarktung, von Imagetransfer und Positionierung via Persönlichkeit. Viele von ihnen würden es als eitel oder egomanisch empfinden, wenn sie sich in der Öffentlichkeit für ihre Firma produzierten. Zudem haben sie womöglich Angst, die Eigentümer ihrer Firmen oder größeren Investoren könnten sich mokieren über ihren Auftritt, einflussreiche Kreise würden eine angenommene „One-Man-(oder -Woman)-Show“ bzw. einen „Personenkult“ geißeln.
Insoweit sollten sie selbstbewusster bzw. eitler sein. Denn Auftritte kosten wenig, und sie haben eine enorme Wirkung, weil sie entweder im Fernsehen übertragen oder vielfältig als Video verbreitet werden, beispielsweise auf entsprechenden Plattformen im Internet, bei Vorträgen und Reden, auf Messen, im Vertrieb und im Marketing, selbst bei Presse- und Analystenkonferenzen.
Nie war die Möglichkeit größer, die Persönlichkeit eines Unternehmenslenkers mit seinen Produkten, Marken und Dienstleistungen öffentlich zu verknüpfen. Wer diese Chancen nicht nutzt, verpasst erhebliche Gelegenheiten, Aufmerksamkeit zu erzielen, die Marke zu pflegen und Reputation aufzubauen.
Durchschlagenden Erfolg hat beispielsweise der amerikanische Haushaltsmixgeräte-Hersteller Blendtec mit seinen Videos erzielt. Seit dem Beginn der Video-Kampagne hat sich der Umsatz des Unternehmens vervielfacht. Der Clou der Clips ist der CEO von Blendtec, Tom Dickson. Er präsentiert als Protagonist seine Produkte auf eine ebenso charmante wie spektakuläre Weise. Die Idee: In einem Studio, das sehr nach 1970er Jahre aussieht, tritt er mit weißem Kittel und mit riesiger Kunststoff-Arbeitsschutzbrille auf und führt die Leistungen seiner Mixer vor, in dem er verschiedene Dinge zu Staub zermixt, beispielsweise einen Besenstil, Golfbälle oder ein I-Phone.
Die mehr als 160 Videos wurden annähernd 200 Millionen Mal angeklickt. Allein das Zermixen eines I-Pads hatte bislang 18 Millionen Klicks, das funkelnde Schreddern von Leuchtstäben haben sich mehr als 12 Millionen User angesehen. Und Filmstars erzählen bei Comedy-Shows in amerikanischen TV-Networks von ihren fantastischen Blendtec-Mixern.
Das ist modernes Marketing at its best. Und es ist, verglichen mit Werbung, spottgünstig. Denn die Produktionskosten eines solchen Videos liegen im unteren einstelligen Tausender-Bereich. Die Idee, einen Mixer etwas umzufunktionieren, erscheint nicht besonders brillant – die Filme leben von der Dramaturgie und der Ästhetik der Videos und vor allem von ihrem Darsteller. Ohne Dicksons Bereitschaft, diesen Weg zu gehen, wäre Blendtec weder Kult noch so erfolgreich und so bekannt.
Wer nicht als Latexpuppe existierte, galt gesellschaftlich als nicht relevant
In Deutschland zeigen Götz Werner und Dirk Rossmann keine Angst vor Kameras, Mikrofonen und Kongressauftritten. Beide haben einst Drogeriemarkt-Ketten gegründet. Auch Wolfgang Grupp von der deutschen Textilmarke Trigema setzt erfolgreich auf Eigen-Marketing. Die Chefs der Deutschen Bank pflegen sowieso die Tradition, öffentlich mit ihrer Persönlichkeit und ihren Ansprüchen für ihr Unternehmen zu wirken, was oft gelungen ist, beispielsweise bei den Auftritten von Hermann Josef Abs und Alfred Herrhausen. Die Altvorderen haben dem Finanzunternehmen eine spezielle Aura von Elite, Größe, Einfluss und Erfolg gegeben. Manches Mal sind die Auftritte ihrer Nachfolger aber auch danebengegangen („Peanuts“, Victory-Zeichen, Zitat über die Kreditwürdigkeit der Kirch-Gruppe). Jedenfalls waren die Deutsche-Bank-Leiter immer öffentlich bekannt. Man blieb im Gespräch. Während die CEOs anderer Bankhäuser weitgehend namenlos sind, haben die Deutschbänker stets das Prinzip Spitting Image verinnerlicht. Denn wer bei der satirischen britischen TV-Show keine Latexpuppe war, der kam eben nicht im öffentlichen Gedächtnis vor und erschien im gesellschaftlichen Diskurs nicht als relevant. Wer im Licht der Öffentlichkeit steht, bestimmt das Geschehen in der Republik mit.
Zu den Möglichkeiten der Chef-Positionierung zählen nicht nur Medienauftritte sowie Vorträge und Gespräche bei Firmenveranstaltungen, Messen und Kongressen, sondern auch eigene Publikationen, in denen der Unternehmenslenker seine Person, seine Ideen, seine Pläne und seine Erfahrung einbringt. Dabei haben Videos – siehe Blendtec – die stärkste Wirkung. Aber auch hier ist nur derjenige erfolgreich, der eine unerlässliche Eigenschaft mitbringt: Mut.
Herzlich, Ihr
Matthias Michael, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Reputationsmanagement