Angesichts der demographischen Entwicklung ist ihre Reputation für viele Einrichtungen ein Erfolgsfaktor

Jeder neue Beschäftigte eines Techunternehmens erhält von seinem Arbeitgeber ein Mountainbike geschenkt. Ein Kaffeeröster bietet seinen Mitarbeitenden eine Pflegeberatung an. Denn immer mehr Menschen umtreibt, was sie für ihre pflegebedürftigen Eltern und Schwiegereltern oder auch Großeltern tun können. Die Angestellten einer Telekomfirma können sich für ein ehrenamtliches soziales Engagement freistellen lassen. Bei einem Streaminganbieter gibt es weder Urlaubs- noch Reisekostenanträge noch fixierte Arbeitszeiten. Mit „Vertrauensarbeitszeit“ locken moderne Unternehmen Führungskräfte ebenso wie mit einem Partnermanagement. Dabei geht es darum, auch dem Lebensgefährten eine adäquate Anstellung in der jeweiligen Region des neuen Arbeitgebers zu vermitteln. Denn allzu häufig wechseln Interessierte nur deshalb nicht den Job, weil ihr Ehemann oder ihre Freundin bei dem Ortswechsel keine berufliche Perspektive hätte.

Unternehmen mit Befehlskulturen wie beim Militär werden
keine Zukunft haben – sie sollten ihr Miteinander ändern

All dies sind wichtige Maßnahmen, die dem Aufbau und der Pflege der Arbeitgebermarke (Employer Branding) einer Organisation dienen können. Damit reagieren Unternehmen auf den Veränderungsdruck und versuchen, die digitale Elite anzusprechen, die mit patriarchalischen Firmenkulturen und militärisch-kleinteiligen Hierarchiestufen nichts anfangen kann. Um sich einen erstklassigen Ruf als moderner und guter Arbeitgeber aufzubauen, können sich Unternehmen und Institutionen viel einfallen lassen, vor allem sind soziale, ökologische und finanzielle Anreize möglich.

Die Arbeitgebermarke gewinnt an Bedeutung in der Zeit des sich verschärfenden Fachkräftemangels. Manche Handelsunternehmen haben beständig mehrere Hundert freie Stellen ausgeschrieben, das gleiche gilt für Industriekonzerne. Aber auch das Handwerk sucht verzweifelt Nachwuchs. Von der Medizin und der Pflege zu schweigen. Juristen werden ebenfalls rar, weil ihre Aufgaben steigen, ihre Prozesse aber kaum digitalisiert sind. Die Verwaltungen der deutschen Gebietskörperschaften haben Schwierigkeiten, Stellen zu besetzen, weil die Industrie besser bezahlt und weil das Verwaltungsimage nach Linoleum, Aktenstaub und fettiger Kantine riecht.

Die jungen Generationen wollen nicht die Arbeit richtig machen,
sondern die richtige Arbeit machen

Aber Vorsicht: Die Generation Y bzw. die Millennials, also die Geburtsjahrgänge 1980 bis 1999, und die nachfolgende Generation Z der Post-Millennials, also der Geburtsjahrgänge 1995-2010, interessieren sich weniger stark als frühere Generationen für schnelles Geld und Macht und Karrierefahrstuhl. Vielmehr sind ihnen eigenverantwortliches Arbeiten, sinnvolle Inhalte und ein wertschätzendes Miteinander wichtig. Sie wollen nicht, wie Generationen zuvor, die Arbeit richtig machen. Sondern sie wollen die richtige Arbeit machen. Das Was hat Priorität vor dem Wie.

Die Amerikanisierung der europäischen Kultur, des Wirtschaftslebens und der Arbeits- und Umgangsformen beeinflusst – mit etwas Verspätung – auch die deutsche Wirtschaft. Das hat gute und schlechte Seiten: Dieter Zetsche, dem langjährigen Kopf von Mercedes, reichten Jeans und Pullover statt Business-Anzug;  Allianz-Chef Oliver Bäte erschien 2016 in roten Turnschuhen zur Hauptversammlung; im gleichen Jahr hat der damalige CEO der Otto Group, Hans-Otto Schrader, seinen damals 53.000 Beschäftigten das „Du“ angeboten und das kollektive Duzen verfügt. Viele deutsche Unternehmen lassen sich vom scheinbar hierarchiefreien Miteinander im Silicon Valley beeinflussen. Andererseits ist die amerikanische Form des Turbokapitalismus vor allem zahlengetrieben – da geht es um Umsatz, Reichweite, Skalierung, Ergebnis, Profitabilität und Prognose. Das Individuum mit seinen Stärken und Besonderheiten sowie die Arbeitsumgebung geraten dabei schnell aus dem Blick. Insofern kann die Orientierung an amerikanischen Größen auch unvorhergesehene Krisen hervorrufen.

Um die Atmosphäre zu entspannen und das Arbeiten angenehmer zu arrangieren, haben Unternehmen vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten. Dabei sind der Kicker und die Tischtennisplatte im Sozialraum nicht mehr so angesagt wie in den 1990er Jahren. Nachfolgend eine Auswahl von Incentives, die eine Arbeitgebermarke in der individudellen Kombination interessant und besonders machen können.

Beispiele für soziale Leistungen

  • Partner-Management (berufliche Orientierung für den Lebenspartner des jeweiligen Stellenbewerbers)
  • Mentorenprogramm
  • Kinderbetreuung; Notfallnummern, wenn die Kinderbetreuung ausfällt
  • Eltern-Kind-Büros
  • Jobsharing, Teil- und Gleitzeit, Lebensarbeitszeit-Modell
  • Pflegemanagement/Pflegeberatung
  • Care-Support-Gruppen für Beschäftigte, die Angehörige pflegen
  • Sabbatical-Option
  • Kostenfreie Getränke am Arbeitsplatz
  • Gesundes Gratis-Mittagessen (evtl. in der unternehmenseigenen Kantine)
  • My-Health-Programme (Abrechnung von Leistungen zur Gesundheitsvorsorge)
  • Weihnachtsfeier/Sommerfest
  • Tee- bzw. Kaffeeküche, Lounge-Ecken, Sozialräume, Spielzone
  • Sportanlagen
  • Massage-Angebot
  • Freistellungen für soziales Engagement
  • Mitarbeiterbibliothek
  • Bürohunde

Beispiele für finanzielle bzw. geldwerte Leistungen

  • Textilreinigung
  • Fahrradservice
  • Urlaubsgeld/Weihnachtsgeld
  • Unternehmensaktien/Friends-and-family-Programm
  • Betriebliche Altersversicherung/Betriebsrente
  • Umsatz-/Gewinnbeteiligung
  • Inner- und überbetriebliche Fortbildung
  • Übertarifliche Bezahlung
  • Feste und variable Gehaltsanteile
  • Jahreskarte für den Öffentlichen Personennahverkehr (Jobticket)
  • Smartphone, auch zur privaten Nutzung
  • Übernahme der Kosten einer Fitnessclub-Mitgliedschaft; bezuschusste Sportvereinsmitgliedschaften
  • Dienstwagen
  • Gratisurlaub am Meer oder in den Bergen für Schichtarbeiter (z.B. alle 3 Jahre)
  • Sach- und Geldprämien im Rahmen des Betrieblichen Vorschlagswesens
  • Sonderzuwendungen bei Jubiläen, Geburtstagen etc.
  • Invaliditäts- und Todesfallschutz

Beispiele für ethische bzw. unternehmenskulturelle Leistungen

  • Unternehmensleitbild/Code of conduct, Führungsleitlinien, Vision, Mission, Werte, Identität der Organisation, Selbstbild/Charta/Manifest
  • Global Workplace Policy, Charta der Vielfalt, UN Global Compact, Zertifizierungen/Auditings/Siegel
  • Kulturcheck; Befragung nach der Betriebskultur
  • Silverpreneur-Angebote
  • Ausbildungseinrichtung
  • Gesundheitsmanagement (beispielsweise höhenverstellbare Schreibtische; organisationsinterne Sportgruppen; Kostenübernahme eines Gesundheits-Checks bzw. einer Vorsorge-Untersuchung, Ergonomiecoaching, Fitness-/Crosstrainertest, Workshop zum Thema Herzgesundheit, Grippeschutzimpfung, Blutspenden)
  • Frauenförderungsprogramm
  • Regelmäßiges gemeinsames Frühstück oder Mittagessen am Arbeitsplatz
  • Schuldenpräventionsseminare für Azubis
  • Orts- und zeitunabhängiges Arbeiten, Home Office
  • Weiterbildungsformate (Verkaufstrainings, Fahrerschulungen, Coachings und Ausbilderworkshops, Adventure Based Learning)

Das Arbeitgeberansehen ist deshalb so wichtig, weil die Unternehmen nicht nur Führungskräfte brauchen, die sie mit attraktiven Besonderheiten anlocken, sondern auch der Kampf um den qualifizierten Nachwuchs zum Erfolgsfaktor wird. Wer die besten jungen Leute für seine Marken begeistern möchte, der muss etwas bieten, was weit über den Durchschnitt der Branche und der deutschen Arbeitgeber hinausgeht. Und umgekehrt: Die Gesellschaft wird Unternehmen künftig ächten, die sich nicht sozial oder ökologisch vorbildlich verhalten. Der Niedergang und Ruin von Deutschlands einstigem Drogerieartikel-Marktführer Schlecker kann hier als abschreckendes Beispiel dienen.

Die Demographie zeigt: Deutschland benötigt jährlich
zusätzlich 400.000 Fachkräfte

Die demographische Entwicklung dokumentiert die Notwendigkeit dieser Haltung und den Handlungsdruck: 1964 wurden in Deutschland mehr als 1,4 Millionen Babys geboren; 59 Jahre später, 2023, kamen  noch 690.000 Kinder in Deutschland zur Welt, also weniger als die Hälfte von damals. Seit Jahrzehnten ist die Geburtenrate zu niedrig, um den latenten Fachkräftemangel effektiv bewältigen zu können. Unklar ist, inwieweit der Zuzug von Flüchtlingen diese Quantitäten verändern wird.

Im August 2021 hat Detlef Scheele, der damalige Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, vor einem massiven Arbeitskräftemangel in Deutschland gewarnt: „Wir brauchen 400.000 Zuwanderer pro Jahr. Also deutlich mehr als in den vergangenen Jahren. Deutschland gehen die Arbeitskräfte aus. Es werden überall Fachkräfte fehlen“, sagte er der Süddeutschen Zeitung. Die Entwicklung zeichnet sich schon seit vielen Jahren ab, sie führt zu immer dramatischeren Folgen. In manchen Branchen, wie beispielsweise der Pflege, gibt es Anwerbe- und Lockprämien (mitunter 8.000 Euro) für neue Fachkräfte oder Auszubildende. Gleichzeitig sollen Headhunter Personal von anderen Marktteilnehmenden abwerben. Kurzfristig werden spezialisierte Zeitarbeitsfirmen engagiert, um firmenfremde Fachkräfte einzusetzen. Das ist teuer und führt zu Spannungen unter den Beschäftigten, weil die Zeitarbeitsbeschäftigten im Vergleich zu den alteingesessenen Angestellten mitunter erheblich mehr Geld für die gleiche Arbeit erhalten. Aber sie sind eben nur vorübergehend beschäftigt. Möglicherweise legen sie dem jeweiligen Klinikum oder Pflegeheim gegenüber auch nicht die gleiche Loyalität an den Tag wie die dauerhaft beschäftigte Belegschaft.

Unternehmen in der Peripherie können Lockmittel nutzen – und
sollten die Versprechen einhalten

Organisationen, die auch deshalb viele Arbeitsplätze nicht besetzen können, weil ihre Verwaltung oder Produktion in der Peripherie liegen, müssen sich besonders ihrer Arbeitgeber-Reputation widmen. Wer die besten Leute in die Provinz ziehen will, kann überzeugende Lockmittel nutzen. Versprechen von Flexibilität, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Perspektive, Weiterbildung und eine besondere Umgangs- und Arbeitsatmosphäre sollten dann aber auch eingehalten werden, weil sonst Enttäuschungen entstehen, die sich z.B. in einer hohen Fluktuation und Krankheitsrate sowie in schlechten Online-Bewertungen niederschlagen. In der Folge können die Leistungsqualität, die Arbeitseffizienz und der wirtschaftliche Erfolg leiden.

Für Unternehmen und Marken kommt es heute mehr als früher darauf an, nicht nur bekannt zu sein und ein Qualitätsimage zu haben, sondern bei vielen Anspruchsgruppen auch als sympathisch wahrgenommen zu werden. Das erreicht eine Organisation über ihre Personen, deren Sprechen und Handeln. Wenn die Lenker des Unternehmens in der Öffentlichkeit als besonders menschliche und gesellschaftlich engagierte Manager oder Unternehmerinnen bekannt sind, wenn sie oder er eloquent neue soziale oder zukunftsweisende Ideen vertritt, hilft das dem Ansehen des Unternehmens, den Marken, Produkten und Leistungen. Deshalb ist der Kopf einer Organisation immer gefordert, etwas für die eigene Arbeitgebermarke zu tun. Hier hilft eine Zieldefinition, die – wie immer – mit Ressourcen, Strategie, Instrumenten und Maßnahmen verwirklicht und evaluiert wird.

Jede Organisation muss Wert darauf legen,
die Beschäftigten zu Fans zu machen

Eine attraktive Arbeitgebermarke kann nur aufgebaut werden, wenn die Führungskultur stimmt, wenn also die Beschäftigten gern zur Arbeit gehen, weil die Vorgesetzten als Trainer, als Coaches, als Förderer und Motivatoren wirken – und nicht als Disziplinarverantwortliche, Kontrolleure und Kleinhalter von Mitarbeitenden. Der Anspruch jeder Organisation sollte sein, die Beschäftigten zu Agenten der Marke zu machen. Denn wenn die eigenen Leute nicht begeistert sind – wie will man dann neue finden, die mit Leidenschaft an die Arbeit gehen?

Wenn Sie sich dem Arbeitgeberattraktivität stärker widmen möchten – wir stehen Ihnen für ein kostenfreies Erstgespräch jederzeit zur Verfügung.

Herzliche Grüße, Ihr

Prof. Dr. Matthias Michael, Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Reputationsmanagement